Rezension

Aktueller denn je

America - T. C. Boyle

America
von T. C. Boyle

Bewertet mit 5 Sternen

America ist ein Buch der Gegensätze.

Delaney und Kyra Mossbacher leben in einer Wohnsiedlung bei Los Angeles, sie karrierebewusste Maklerin, er Journalist und Hausmann. Das gute Leben mit ihren moralisch hochgesteckten Werten wird grotesk konterkariert, als Delaney eines Tages einen Mexikaner mit dem Auto anfährt und verletzt.

Candido ist illegal in den USA, mit seiner schwangeren Frau America haust er an Lagerplätzen im Canyon. Gelegenheitsjob halten sie über Wasser, immer in Angst vor Polizei und La Migra.

Und plötzlich sind die Mossbachers und ihre Nachbarn konfrontiert mit der hässlichen Seite des Lebens. Zunächst werden die Tore bewacht, die Zäune höher, bis eine Mauer errichtet wird um die hübsche Wohnsiedlung., das Fremde, und somit das Böse wird ausgesperrt, selbst isoliert in der Wohlstandsblase.

Das Buch ist von zeitloser Brisanz, schon vor 20 Jahren hat T.C.Boyle diesen Roman verfasst. Aktueller denn je ist er durch den Mauerbau Trumps zur mexikanischen Grenze, aber auch die heutige Flüchtliingssituation in Europa. Angeblich wurde der Roman in den  USA sogar zur Schullektüre, ob dies heute unter Trump noch immer so ist, möchte ich leise anzweifeln.

Die Situation der illegalen Einwanderer, gezeigt am Beispiel Candidos und Americas, wird sich heute von damals kaum unterscheiden. Ebenso wenig wie es verwöhnte weiße Kinder gibt, denen es an nichts mangelt und die zu grausliche Rassisten werden einfach weil sie es können. Moralisten in ihrem selbstgerechten Zorn, wenn Hündchen in der Hitze leiden, haben keine Skrupel, einen verletzten Illegalen verletzt im Straßengraben mit ein paar Dollars abzuspeisen.

Mich hat skurrilerweise der Werdegang des mexikanischen Paares ein wenig an die Herbergssuche erinnert.

Auch wenn das Buch keine Lösung für das Problem der Einwanderung bietet, sollte Armut, ganz egal woher sie auch kommt, niemals mit sicherheitspolitischen Mitteln bekämpft werden, es ist immer eine Frage der Sozialpolitik. Und für eine gelungene Sozialpolitik braucht es (Herzens)Bildung. Dieser Denkansatz hat mich während des Lesens begleitet. Also lest dieses Buch, alleine, im Unterricht, egal. Es ist es wert.