Rezension

Aktueller denn je

Zwischen Welten -

Zwischen Welten
von Juli Zeh

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich habe das Buch, das im vergangenen Jahr auf den Bestsellerlisten war, erst jetzt gelesen und finde, es ist aktueller denn je.

Stefan: Journalist bei einer renommierten Wochenzeitung in Hamburg, woke, immer am Puls der Zeit, dazu aber auch bindungsunfähig und ziemlich egozentrisch

Theresa: abgebrochenes Germanistikstudium, hat den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen und versucht ihn mühsam über Wasser zu halten, verheiratet, zwei Kinder, engagiert für den Erhalt der bäuerlichen Struktur

Das ist die Ausgangssituation. Stefan und Theresa kennen sich aus dem Studium und treffen sich zufällig in Hamburg wieder, sie bleiben über Messenger und Mails in Kontakt. Deshalb ist der ganze Roman in Form von Messengernachrichten und Mails geschrieben, was ich bei ähnlichen Büchern als sehr mühsam empfand. Hier funktioniert es erstaunlicherweise.

Während Stefan nach einigen beruflichen Rückschlägen schließlich ganz oben in der Hierarchie landet, driftet Theresa immer mehr in die Radikalität ab. Durch Kontake in die rechte Szene, die sie einfach nicht wahrhaben will und mit der sie sehr naiv umgeht, greift sie schließlich zu gewalttätigen Mitteln.

Zeh und Urban haben ein unbedingt lesenswertes Buch geschrieben. Was ist Aktivismus, was ist Aktionismus? Sind gewalttätige Aktionen als Mittel der Politik erlaubt? Zwischen den beiden Protagonisten leben alle Konflikte unserer Zeit auf, Während Stefan Gendersternchen und Wokeness ganz toll findet, ist Theresa mit ihren alltäglichen Problemen viel geerdeter. Zeh und Urban zeigen beispielhaft und manchmal überspitzt sehr genau den Graben auf, der inzwischen die Gesellschaft spaltet. Das Persönliche wird politisch und das Politische persönlich. Manchmal möchte man die beiden Menschen einfach nur schütteln und "Kommt doch mal runter von euren Bäumen!" rufen. 

Das Buch hat mich sehr fasziniert, geärgert, erfreut, zum Nachdenken gebracht. Und das ist ja eigentlich der Sinn von guter Literatur!