Rezension

Abenteuer, Spannung und eine Entdeckung des Unbekannten

Gesammelte Werke 84. Der Bowie-Pater - Karl May

Gesammelte Werke 84. Der Bowie-Pater
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Der Bowie-Pater

Die Westmänner Bill Holmers und Fred entgehen nur knapp einem Überfall durch die Komantschen. Ihre Kameraden sind tot und das hart erarbeitete Gold ist geraubt. Natürlich jagen die beiden den Indianern hinterher. Unterstützung finden sie beim Apatschenhäuptling Rimatta und dem geheimnisvollen Westläufer dem Bowie-Pater. Doch nicht nur das: Fred ist eigentlich auf der Suche nach seinem Bruder. Unverhofft ergeben sich neue Hinweise.

 

Der Ölprinz

Sam Hawkins und der Erzähler wollen sich nach einem langen Ritt in einem kleinen Store mit Proviant versorgen, doch der Eigentümer, ein Ölprinz, verweigert ihnen die Bedienung. Ihm ist Arrow, der kostbare Hengst des Erzählers, ins Auge gefallen und will diesen nun um jeden Preis haben.

 

Ein Dichter

Der Dichter Richard Forster rettet dem Westläufer Tim Sutherland im Llano Estacado das Leben. Dieser ist mit seinen Kameraden von Pfahlmännern überfallen worden und als einziger knapp entkommen. Sofort jagen die beiden den Mördern nach.

 

Vom Tode erstanden

Die Mission Santa Barbara wird in der Zeit des Goldrausches von Fremden besetzt. Ein Bierbrauer, der gleich noch eine Branntweinkneipe eröffnete, zwielichtige Händler und ein ominöser Apotheker. Der Pfarrer hat längst die Flucht ergriffen, doch Karl Werner, der dem Geistlichen als Hausmeister gedient hat, fehlt das Geld, um ebenfalls den unruhigen Ort zu verlassen – so gerne er auch nach Deutschland zurückkehren möchte. Seine hübsche Tochter Anitta könnte im Apotheker eine gute Partie machen. Dieser verspricht zumindest dem Vater all seine Wünsche zu erfüllen, doch Anittas Herz gehört dem mittellosen Eduard…

 

Jemmys Bärenabenteuer

Hobble Frank, der dicke Jemmy, der lange Davy und Old Shatterhand sitzen abends beim Lagerfeuer zusammen und Jemmy erzählt wie er einst bei einem Bären geschlafen hat.

 

Tui-Fanua

Der Abenteurer Latréaumont erleidet Schiffbruch bei den Samoa-Inseln. Die Mannschaft kann sich retten, doch sie sitzen auf der unbewohnten Insel fest. Da landen Wilde mit zwei Gefangenen an. Können Latréaumont und die Seeleute die beiden vor dem Kochtopf retten und dadurch auch sich selbst?

 

Ein Abenteuer auf Ceylon

Charley und Lord Walpole werden auf Ceylon in ein Abenteuer gezogen. Dem Diener des Lords, Walawi, wird die Ehefrau entführt und auf ein chinesisches Handelsschiff verschleppt. Auf der Dampfyacht des Lords nehmen die drei sofort die Verfolgung auf.

 

Jagd auf wilde Truthühner

kurzer Sachtext

 

Häuptling Feuerwasser

Eine Episode aus „Der Sohn des Bärenjägers“, die May dafür allerdings umgearbeitet hat.

 

„Der erste Elk“ und „Der Mistake Canon“

Beides eigentlich Teile von Old Surehand.

 

„Ein Stücklein vom Alten Dessauer“ und „Der Amsenhändler“

Frühe Anekdoten zum alten Dessauer (Fürst Leopold von Anhalt-Dessau)

 

Im Seegerkasten

Eine Variante des Brautwerbers, der sich im Uhrenkasten verstecken muss und dabei eine lang verschollene Erbschaft findet.

 

Die verhängnisvolle Neujahrsnacht

Die beiden verfeindeten Nachtwächterfamilien Bergmann und Grundmann stehen vor einem Problem, denn die beiden Kinder tragen sich mit Heiratsabsichten. Grundmann ist dem nicht abgeneigt, doch Bergmann absolut dagegen. In der Neujahrsnacht kommt es dann zum Showdown.

 

Ein Karl May Buch, das wieder einmal Fragmente zu anderen Texten sowie Vorstufen und frühe Entwürfe enthält. Eine Ausnahme ist der kurze Sachtext.

Die frühen Entwürfe sind für Kenner sehr interessant zu lesen. Man erinnert sich an die Umsetzung in der Hauptgeschichte, erkennt Entwicklungen und findet auch, was aus dem einen oder anderen Grund weggefallen ist.

Mögen die Frühformen eher etwas für Fans und Wissenschaftler sein, so sind doch die in sich geschlossenen Geschichten durchaus für den Freizeitleser spannend. Mays Humoresken wie „Im Seegerkasten“ oder „Die verhängnisvolle Neujahrsnacht“ sind unterhaltsam und witzig.

Die Anekdoten um den alten Dessauer gehören zu meinen liebsten Kurzgeschichten von May. Züge des Dessauers, der als knorriges, polterndes, herzensgutes Original gezeichnet wird, finden sich auch in Mays Gestaltung des alten Blüchers (in „Die Liebe des Ulanen“) und dem Hauptmann von Rodenstein (in „Das Waldröschen“). Der alte Dessauer wird noch ein bisschen modifiziert, da es sich bei seinen Geschichten trotz allem Witz um das brutale Wesen der Werber handelt. Schließlich spielt es in einer Kriegszeit und sowohl die Männer des Dessauers als auch die des Hannoveraners zwingen die jungen Männer ins Soldatentum – wobei nach ihrer Gesinnung nicht gefragt wird. Diese problematische Seite klingt immer wilder mit an, im Vordergrund stehen aber die skurrilen Züge es Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und die komische Handlung. Differenzierter und auch mit düsteren Anklängen warten erst die anderen Anekdoten auf, die in Band 42 der gesammelten Werke) versammelt sind.

Fraglich finde ich aber immer noch wie Mays im Rahmen des Karl May Verlages den Lesern zugänglich gemacht wird. Das bezieht sich jetzt auf die namengebende erste Geschichte dieses Bandes „Der Bowie-Pater“. Dieser ist eigentlich Teil des Romans „Die Juweleninsel“, die sicher nicht zu den ausgefeilten Werken Mays gehört, aber trotzdem spannend ist. Vorgeworfen wird May hier, dass er die Geschichte nicht fertig konzipiert und eher nachlässig und desinteressiert zu einem schnellen Ende gebracht hat. Damit bleiben einige Fragen offen, einige Szenen unlogisch und Abschnitte etwas zusammenhanglos. Dies zum Anlass zu nehmen den Roman von fremder Hand zu überarbeiten, Lücken aufzufüllen, anderes umzuschreiben und Szenen – wie die des Bowie-Paters – zu streichen, ist aber in meinen Augen nicht die richtige Art damit umzugehen. Die Geschichte wird nicht logischer, wenn man sie zerstückelt. Die herausgelösten Fragmente später dann nachzureichen ist, trotz einer Erläuterung, nicht dazu angetan, den Roman den Lesern zugänglich zu machen. Textforschung möchte nun mal nicht jeder betreiben. Außerdem bleiben gerade im Fragment, so unterhaltsam es für sich genommen auch ist, wesentliche Fragen offen. Die Suche nach Freds Bruder endet erst in „Die Juweleninsel“. Die gesamte Grundlage der Handlung wird eigentlich in „Szepter und Hammer“ gelegt, dem ersten Band der „Juweleninsel“-Dilogie. Um diese spannende Episode also richtig würdigen und genießen zu können, müsste man sie also wieder ins Original einfügen. Hier kann ich die Weltbildausgabe oder tredition empfehlen, um sich selbst ein Bild davon zu machen. Es lohnt sich!

Der vorliegende Band aus der Reihe „Gesammelte Werke“ ist trotzdem eine lohnende Lektüre. Die hier abgedruckten Geschichten sind spannend und witzig und fast immer in sich abgeschlossen. Besonders begeistert haben mich die abgedruckten Illustrationen, die Karl May von Verlegern als Inspirationsquelle zugeschickt wurden und die hier bei den entsprechenden Texten stehen.

Sehr schön sind außerdem die kurzen Erläuterungen, die jeder Geschichte beigefügt wurden. Sieordnen die Texte in das große Werk ein, weisen auf Besonderheiten hin, auf Entstehungsbedingungen und geben Hinweise, warum es zu welchen Bearbeitungsschritten kam. Bei weitem ist es nicht immer eine Entscheidung des Karl May Verlags gewesen, die Texte in verschiedenen Fassungen zu bringen. May selbst war Spezialist darin, „Altbestände“ zu recyceln, umzuschreiben, in neue Zusammenhänge zu bringen oder für Zeitschriften zu einer Einzelepisode zu fassen. Dass er gegen Ende seines Lebens noch einmal daran ging sein Werk neu zu ordnen, „zu bereinigen“ und zu einem großen Gesamtkunstwerk zu gestalten ist ebenfalls kein Geheimnis. Da er darüber verstorben ist und seine zweite Frau diverse Dinge dem Feuer überantwortete, aufgrund des Prozesses und schließlich ihrer fragwürdigen Neigung zum aufkommenden Nationalsozialismus, ist ebenfalls Teil der Forschung und Teil des Mythos. Was May aus seinen Texten machen wollte, was er getan hätte, das werden wir nie wissen. Doch seine Texte haben bis heute nichts an ihrer Lebendigkeit und Farbigkeit verloren. Ungekürzt und unbearbeitet sollte man ohne Vorurteile in seine Geschichten eintauchen können.

Trotz allem gebe ich dem Buch 5 Sterne. Die Bilder und gerade die Erläuterungen, die auch Nichtkennern des Werks weitere Lektürehinweise und Verständnishilfen geben, machen das Buch zu einer tollen Lektüre! Schön, dass der Verlag den treuen Lesern auch die gestrichenen Szenen nicht vorenthalten möchte und sich die Mühe macht, sie mit verständlichen Anmerkungen zu versehen. Schade, dass die Gesammelten Werke sich nicht zu einer historisch-kritischen Ausgabe entwickeln konnten, die dem Leser die Abenteuer von Karl May in ihrer Ursprünglichkeit, Komplexität und auch Problematik nahe gebracht hätte.