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Wie weit darf (Buch-)Werbung gehen?

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Wie weit darf (Buch-) Werbung gehen?

Guerilla Marketing, transmediales Storytelling, Alternate Reality Games, ... die heutige Werbewelt hat nicht nur kreative Namen für ihre Marketing-Maßnahmen, sondern auch kreative Einfälle. Aber wo ist die Grenze für eben diese? Ein Selfpublisher warb nun mit Kondolenzbriefen ...

Das erste 'Alternate Reality Game' (kurz: ARG) Deutschlands, bei dem ein Buch im Mittelpunkt stand, fand im Jahr 2007 und anlässlich des Erscheinens von Sebastian Fitzeks Thriller "Das Kind" statt:

Ein Bote klingelte abends an Deiner Haustür und überreichte Dir eine Pizza, die Du gar nicht bestellt hattest. In dem Karton befand sich jedoch nichts Essbares, sondern ein USB-Stick, der ein verwackeltes Fahrstuhl-Video präsentierte und auf eine Website verlinkte. Übers Internet und gemeinsam mit weiteren ARG-Spielern konnte man sich dann auf Spurensuche begeben und wurde schließlich Teil der Geschichte. So besuchte man einen echten Tatort, erhielt einen Anruf des vermeintlichen Serienmörders und, und, und ... (die komplette Kampagne, die übrigens mit dem Buchmarkt Gold-Award 2008 ausgezeichnet wurde, könnt ihr hier nachlesen).

Ungewöhnliche ARG-Kampagnen gab es u.a. auch zum Erscheinen des Jugendbuches "Numbers", in dessen Rahmen an verschiedenen Orten innerhalb Hamburgs seltsame Wandzeichnungen auftauchten (Link).

Bedingung für solche ARG-Spielchen: der Adressat bzw. Kampagnen-Teilnehmer muss sich zuvor unter http://folge-dem-kaninchen.de/ registriert (inklusive Anlage einer Selbstbeschreibung in Form von Tags) und der Zusendung solcher Marketingmittel zugestimmt haben.

Doch nicht alle Absender scheinen gleichermaßen Wert darauf zu legen, dass ihre Werbung auf den jeweiligen Adressaten abgestimmt ist bzw. auch auf dessen Wohlwollen trifft:

So verschickte in der vergangenen Woche ein (namentlich uns nicht bekannter) Selfpublisher Kondolenzbriefe, um sein neuestes Werk zu bewerben. Petra vom Krimikiosk beschrieb in ihrem Krimikiosk.de-Blog sehr nachvollziehbar, wie sehr eine solche Maßnahme ihr Ziel verfehlen kann und für echten Schrecken sowie Fassungslosigkeit sorgt:
Link zum Krimikiosk.de

- Wie steht ihr zu diesem Thema und vor allem zu o.g. Aktion? Seid auch ihr vielleicht schon einmal Teil einer Buch-Kampagne geworden, die über die Zusendung des bloßen Titels hinausging? ... natürlich gibt es auch wesentlich harmlosere wie auch sympathische Varianten, wie die des Boje Verlags, der personalisierte USB-Sticks verschickte, als "das wirst du bereuen" erschien (Link). ;-)

UPDATE: Inzwischen hat der betreffende Autor (nun also doch namentlich bekannt) seine Beweggründe für die Aktion veröffentlicht - nachzulesen hier.

Kommentare

Seiten

jhaeusler kommentierte am 12. September 2014 um 08:15

Es waren anscheinend nicht alle Empfänger verstimmt und die Leute, die ich kenne, haben noch nie einen solch dilettantisch eingetüteten Trauerbrief erhalten. Schon diese Aufmachung hätte mich stutzen lassen.

Jendrik Spehl kommentierte am 12. September 2014 um 09:39

Na ja ich habe in meinem Leben noch gar keinen Trauerbrief erhalten . Wie soll ich also erkennen ob der der  diese "Werbung" erhielt  diletantisch eingetütet ist. Der Tod ist nun mal ein sensiebles Thema und daher denke ich eine Werbekampagne dieser Art ist mehr als grenzwertig. Aber ok auch das ist lediglich meine Meinung . Nur um Missverständnisse zu vermeiden ich gehörte nicht zu den Adressaten der beschriebenen Kampagne aber ich kann mir gut vorstellen wie ich mich fühlen würde wennich plötzlich eine (wie ich nach den Bildern sagen würde sehr realistische) Todesnachricht in meinem Briefkasten vorfände. Wie schlimm muss das dann für jemanden sein der vielleicht wirklich jemand im Bekanntenkreis hat der schwehr krank ist. 

progue kommentierte am 12. September 2014 um 10:18

Doch, deine Argumentation überzeugt mich. Wenn ich einen Trauerbrief erhalte, werfe ich einen holmeschen Blick darauf und mir ist sofort klar, dass es sich um ein Fake handelt und ich mir keine Sorgen machen muss. ^^

Petra Weber kommentierte am 13. September 2014 um 11:25

Ich habe 4 Tage später den Trauerbrief erhalten, den ich eigentlich erwartet hatte.
Er war genauso "dilettantisch eingetütet" wie der erste.
Ich werde den Hinterbliebenen mitteilen, dass sie da in Zukunft sorgfältiger sein müssen.

Petra Weber kommentierte am 13. September 2014 um 11:46

Zur Information:
hätte es eines Beweises bedurft, ob der Absender des Briefes ausreichend gekennzeichnet war, so hat den der Deutsche Werberat geliefert, der zunächst irrtümlich den bisherigen Verlag des Autors anschrieb, weil sie den fälschlicherweise für den Initiator hielten.

Der Werberat hat mir zudem empfohlen, mit einer Beschwerde bei der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. einen Verstoß gegen rechtliche Vorgaben, hier das Verbot der sogenannten verschleierten Werbung gemäß § 4 Nr. 3 UWG, überprüfen zu lassen, weil auch sie den Urheber erst durch recherchieren identifizieren konnten.

Ich habe 4 Tage später erneut einen echten Trauerbrief erhalten (nein, ich habe mir diese Geschichten nicht pathetisch ausgedacht, das Leben läuft nicht immer so vorbildlich korrekt, wie  wir es gerne hätten). Er war genauso "dilettantisch eingetütet" wie die "Werbung. 

Ich war nie bei "Folge dem Kaninchen angemeldet", Hinweise darauf, ich hätte es erwarten müssen, sind also unsinnig.

Da ich gewerblich im Internet vertreten bin, unterliege ich der Anbieterkennzeichnungspflicht, die es zwingend erforderlich macht, dass meine Anschrift mit Klarnamen auf meinen Webseiten überall zu finden ist. So wurde sie ja auch vom Autor gefunden. 

Zu keinem Zeitpunkt war dies ein "Shitstorm" und niemand hat zum Boykott aufgerufen.

Letztlich hat der Autor seine 15 Minuten Berühmtheit gehabt. Was sein Verhalten auch im Nachgang zu dieser Aktion über ihn aussagt, bleibt in der Beurteilung jedem selbst überlassen. Mein Bild von ihm hat sich dadurch gefestigt und seine Schreibwaren mag lesen wer will.

Ein Tipp an alle Autoren:
Schreibt die Blogs an. Normal und seriös.
Legt Eure Kreativität nicht in Werbeaktionen, keine Rezension wird dadurch besser.
Ein gutes, langfristiges (!) Verhältnis zu einschlägigen Bloggerkreisen ist hundert mal mehr wert als solch ein Blödsinn, der möglicherweise dann auch noch gegen das Gesetz verstößt und zu Abmahnkosten führen kann.

Arbutus kommentierte am 14. September 2014 um 18:42

Danke für diese klaren Worte.

Ich glaube, dem ist wenig hinzuzufügen.

aenneken kommentierte am 12. September 2014 um 01:23

Hat jemand hier Erfahrungen mit dem Kaninchen oder ähnlichem. Höre das hier zum ersten Mal und kann mir so gar nicht vorstellen wie das abläuft. Also wer mag darf sich geren aufopfern und mir erklären wie sowas abläuft. :)

Janine2610 kommentierte am 12. September 2014 um 22:34

Trau dich und mach doch einfach mit. Lass dich überraschen... ;D

aenneken kommentierte am 12. September 2014 um 22:52

ähm sicher nicht, ich gebe nicht blind meine adressdaten auf irgendwelchen websites an. und außerdem bin ich gar nicht immer da. sinnlos!

Buecher-Nis kommentierte am 12. September 2014 um 05:49

Also den Brief finde ich ganz Schlimm! Sowas wie mit der Flaschenpost zu Salt&Storm finde ich wiederrum gut durchdacht und echt süß :)!

Chiawen kommentierte am 12. September 2014 um 08:39

Das es grenzwertig ist, bestreite ich nicht. Doch wird bei dem Foto der erklärende Teil durch den Briefumschlag verdeckt. Was ich persönlich schade finde, denn so entsteht ein anderer Eindruck, als wenn man alles lesen kann.

Madlenchen kommentierte am 12. September 2014 um 09:07

Bei uns hier im Dorf werden bei jedem Verstorbenen solche Briefe an jeden Haushalt versendet. Und selbst da hab ich mich nie erschrocken oder so. Wenn es jemand in der engeren und näheren Umgebung ist weiss man sowas doch meistens eh vorher.

Klar ist die Art der Werbung vielleicht nicht gerade gut durchdacht gewesen, aber dass die eine Bloggerin ihn so ins Messer laufen lässt ist auch nicht nett. Wenn sie ihn schon im Blog negativ darstellen will soll sie wenigstens den ganzen Brief zeigen und nicht das "Wichtigste" verdecken.

 

 

progue kommentierte am 12. September 2014 um 10:20

Sie macht doch nichts anderes als derjenige, der den Brief geschickt hat. Erst mal läuft man auch ins offene Messer, denn ZUERST liest man ja das, was oben ist. Zumindest die meisten Leute schauen nicht zuerst auf den Schluss eines Briefes.

Witzig, oder?

Madlenchen kommentierte am 12. September 2014 um 10:30

Ja das ist schon klar. :) Aber vielleicht hätte dann einige Leute anders reagiert wenn sie das in ihrem Post komplett dargestellt hätte. Man kann es so oder so nicht mehr ändern. Seine Idee war vielleicht nicht wirklich gut durchdacht, aber dennoch hat er Aufmerksamkeit erregt. Und egal ob die Idee in mancher Augen "geschmacklos" war, kann er doch als Autor trotzdem gute Bücher schreiben die es wert sind gelesen zu werden. Und das er Aufmerksamkeit bekommt hat er erreicht.

Ich finde einfach man sollte ihn nicht wegen einem Fehler so in der Luft zerreissen. Jeder von uns macht mal Fehler. Und der Shitstorm ihm gegenüber könnte auch mal enden. Als hätte man sonst keine Sorgen...

 

progue kommentierte am 12. September 2014 um 19:58

Was Besseres als dieser Shitstorm konnte ihm doch nicht passieren. Sieht man jetzt auf LB, wo ihm jeder übers Köpfchen streicht und über die bösen Blogger und den Shitstorm schimpft. Und weil man sich so tolerant vorkommt, wird man das Buch natürlich auch nicht zerreißen, sollte es tatsächlich Mist sein. Für den Autor war diese Aktion eine eindeutige Win/Win-Aktion. In dieser Hinsicht ziehe ich meinen Hut vor ihm.

Anchesenamun kommentierte am 12. September 2014 um 18:40

Ah, das ist interessant! Ich hatte gerade geschrieben, dass ich das nur so kenne, dass man den Hinterbliebenen solche Briefe schickt und nicht andersrum. Aber dann gibt es das wohl doch auch in der Form. Da ich das aber nur andersrum kenne, wäre ich wohl nicht erschrocken, sondern hätte erstmal den Brief in Ruhe durchgelesen, weil ich sonst an ein Missverständnis geglaubt hätte.

Arbutus kommentierte am 14. September 2014 um 18:43

Er tut mir direkt leid, der arme, zart besaitete Kerl.

Roti Bö kommentierte am 12. September 2014 um 09:18

Respekt ist etwas, was dem Menschen scheinbar immer mehr abgeht.

Jede Werbung hat seine gedehnte eigene Wahrheit *ürgs*

Aber bei Büchern hat jeder einen anderen Geschmack und ich möchte bei einem mörderischem Krimi keine Trauerkarte im Briefkasten finden. Für mich macht es eine Fiktion realistisch *grusel*

Nein, Werbung darf spannend sein und soll ganz klar neugierig machen ... aber bitte laßt die Wirtschaft raus. Klar will der Autor verdienen, aber ich dachte immer ein Autor ist ein Künstler und da sollte die Kunst im Vordergrund stehen, aber nicht um jeden Gnadenlosen AUFMACHER

 

Tine kommentierte am 14. September 2014 um 14:36

meinst du mit "aber bitte lasst die Wirtschaft raus" Buchwerbungen oder allgemein Werbung? Denn Werbung, egal für was, IST ja eben dafür da, damit auf das Produkt aufmerskam gemacht und es schlussendlich gekauft wird.

Siria kommentierte am 12. September 2014 um 11:47

Ich persönlich finde die Idee jetzt nicht besonders toll (was auch daran liegen kann, dass ich generell nicht viel von (Buch-) Webung halte..), aber ich bin der Meinung, dass ein derartiger Shitstorm gegen den Autor auch nicht gerechtfertigt ist. Natürlich hat er mit seiner vermeintlich "coolen" Idee ziemlich daneben gelegen, aber wäre die ganze Aktion nicht schon um ein vielfaches besser gewesen, wenn er neutrale Umschläge gewählt hätte? Denn wahrscheinlich hat er schon Recht damit, dass man mit solchen Schockmomenten gut aufmerksamkeit erregen kann, nur hier war dieser Schockmoment zu lang, da der Empfänger erst den Brief öffnen UND den Inhalt lesen muss, um alles als Webegag zu enttarnen. Wäre die Anzeige in einem weißen Umschlag gewesen, hätte sich der Empfänger wohl auch erschrocken, hätte aber SOFORT auf den zweiten Blick feststellen können, dass alles nur ein schlechter Scherz ist. Besonders wenn eine solche Karte Menschen erreicht hätte, deren Freunde oder Verwandte schwer erkrankt sind, etc. wäre es natürlich immer noch sehr geschmackslos gewesen, hätte aber wohl schon etwas weniger extreme Reaktionen hervorgerufen.

Anchesenamun kommentierte am 12. September 2014 um 18:37

Also ich habe leider noch nie Buchwerbung erhalten. Habe schon viele nette Sachen gesehen, die andere Blogger bekommen haben. Wenn ich den Umschlag sehe, dann wäre ich wohl auch erstmal erschrocken. Aber wenn man den Brief aufmacht, ist eigentlich ziemlich schnell klar, dass es sich hier um Werbung handelt. Ich kenne es auch eigentlich nicht, dass man solche Briefe an Andere schickt, um über den Tod einer Person zu unterrichten, sondern andersrum, dass man Kondolenzbriefe erhält, wenn jemand in der Familie gestorben ist. Deshalb verstehe ich nicht so richtig, wieso die Empfängerin so fertig war beim Erhalt des Briefes. Ich denke, das war einfach ein sehr unglücklicher Zufall, dass die Empfängerin gerade einen Krankheitsfall in Familie/Verwandtschaft/Freundeskreis(?) hatte und deshalb so erschrocken ist.

Tine kommentierte am 14. September 2014 um 14:39

So ist das bei uns auch. Wenn jemand stirbt werden Freunde und Vrewandte persönlich oder per Telefon unterrichtet. Ich habe noch nie erlebt, dass man einen Brief mit der Todesanzeige bekommt, sondern als engster Angehöriger die Kondolenzbriefe mit dem schwarzumrandeten Umschlag.

Miss.mesmerized kommentierte am 13. September 2014 um 06:50

Ich finde es ja interessant, dass viel hire sagen, sie hätten sich total erchrocken und wären unglaublich erschüttert gewesen. ich hätte mich ja erst mal relativ nüchtern gefragt, ob ich diese Mona überhaupt kenne - was sich relativ schnell als nicht der Fall herausgestellt hätte. Dass so viele Blogger bei völlig Fremden in Weinkrämpfe ausbrechen und in eine Beinahe-Drepession verfallen, halte ich dann doch für entweder nicht ganz so glaubwürdig oder doch ein wenig übertrieben. Ich hoffe für Euch, dass ihr morgens keine Zeitung lest, da ist ja dann der ganze Tag hinüber nach der Seite mit den Todesanzeigen.

Anchesenamun kommentierte am 13. September 2014 um 11:10

Ich kenne sogar eine Mona, aber niemand in meinem Bekanntenkreis würde mir auf DIESE Weise den Tod eines Menschen beibringen. Das wird persönlich gemacht und nicht über einen förmlichen Brief. Und wenn doch, dann war es sicherlich niemand, den ich gut gekannt habe, dann würde ich - so emotionslos es klingt - den Brief erstmal in Ruhe aufmachen und nicht schon vorher zusammenbrechen. Das jetzt mal meine eigene Meinung über die Aktion, egal, ob man die Reaktion der Bloggerin als pathethisch oder nachvollziehbar einstuft. (Da ich sie nicht persönlich kenne und auch nicht die Umstände, habe ich dazu keine Meinung.)

An Stelle der Bloggerin hätte ich auch erstmal den Autor angeschrieben und ihm persönlich gesagt, was ich von der Sache halte. Diese Shitstorms im Internet mag ich nicht. Und ich denke auch, dass der Autor dadurch nur noch mehr Aufmerksamkeit für sein Buch erhalten hat, ich weiß nicht, ob die Bloggerin das im Sinn hatte.

Tine kommentierte am 14. September 2014 um 14:41

Ich finde auch,dass man dem Autor nicht mehr als den Schockmoment vorwerfen kann. Ist zwar vlt nicht ganz angenehm, aber diese Art von Post ist nicht realistisch/üblich, zumindestens in meinem Teil von Deutschland.

Ritaballhaus kommentierte am 19. September 2014 um 19:56

Er hat mit dieser Werbung erreicht was er wollte. Aufmerksamkeit, die sogar durch die Presse ging.

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