Der perfekte Leseort

Suchst Du noch oder liest Du schon?

Es gibt so viele Orte, an denen man wunderbar lesen kann: im Park, an der Bushaltestelle, auf dem Sofa, in der Badewanne, im Zug oder im Wartezimmer. Doch nicht alle Orte eignen sich gleichermaßen. Wo lest ihr am liebsten?

Ich sitze im Bus. Meine Sitznachbarin beugt sich konzentriert über ihre Uniunterlagen, die sie auf ihre Knie gelegt hat. Mathe. Oder vielleicht auch irgendeine andere Fachrichtung, in der die Übungsblätter ausschließlich mit Zahlen gefüllt sind und in mir ein beklemmendes Gefühl auslösen, das ich zuletzt in meiner Abiturprüfung hatte. Ich wende meinen Blick zum Gang. Alle Plätze sind besetzt und auf der Gepäckablage liegen allerlei Rucksäcke und Taschen. Trotzdem ist es ganz still. Die meisten Reisenden schauen verträumt aus dem Fenster oder hören Musik. Andere lesen und ein paar wenige stecken ihre Nasen in Lehrbücher.

Nach einem schönen Wochenende in Hessen geht es für mich zurück nach Aachen. Ich freue mich auf die Fahrt, die 3 ½ Stunden dauern würde. Eine Zeit, in der ich mich zurücklehnen und mich entspannen kann. Ich mache es mir gemütlich und ziehe ein Buch aus meiner Handtasche: „Lisa“ von Thomas Glavinic. Ich schlage es auf und lese die ersten Sätze. „Ich bilde mir nicht ein, wahnsinnig viel über die Menschen zu wissen. Aber ich weiß immerhin, dass so ziemlich das Einzige, was einem Menschen bei anderen Respekt verschafft, seine Unabhängigkeit ist.“ Meine Augen gleiten rasch über die Zeilen, Satz für Satz arbeite ich mich vor, schlage um, lese weiter und weiter. Ein Mann, voll mit Whiskey und Koks, spricht in einem verlassenen Landhaus übers Internetradio zu seinem Publikum. „Mir war es immer egal, wie viele Hörer ich hatte, ich habe mich niemals irgendwelchen Illusionen hingegeben.“, lese ich weiter. Jemand hupt. Ich schaue hinaus. Es ist schon dunkel und man erkennt lediglich die Lichter der anderen Autos, die an uns vorbeiziehen. Auf den Straßen ist wenig los und wir fahren mit gleichmäßiger Geschwindigkeit auf der rechten Spur der Autobahn. Mein Blick fällt zurück auf die aufgeschlagene Seite. Gerade mal drei Seiten geschafft, und schon spüre ich, wie meine Lider schwer werden. Ich versuche weiterzulesen. Der Stil gefällt mir und der Klappentext klang vielversprechend. Ich blättere um. Meine Augen wandern von links nach rechts, von Zeile zu Zeile. Ein routinierter Mechanismus, der scheinbar ohne mein Zutun vonstatten geht. Ich spüre, wie mich die Müdigkeit umfängt, sich um mich legt wie eine Decke. Mein Körper fühlt sich schlapp an, meine Arme und Beine sind schwer und meine Augen haben sich zu kleinen Schlitzen verwandelt. Ich komme noch vier Seiten weiter – ohne auch nur den blassesten Schimmer davon zu haben, was ich eigentlich gelesen habe. Nur meine Augen bewegen sich brav weiter über das Papier. Resigniert schlage ich das Buch zu und lege es auf meinen Schoß. Innerhalb von wenigen Sekunden bin ich eingeschlafen. Weder literweise Kaffee, Cola oder Energydrinks noch Süßigkeiten, die meinen Blutzuckerspiegel auf einen ungesunden Wert hochschießen lassen, könnten Abhilfe schaffen – sobald ich im Auto, im Zug oder im Bus sitze, überwältigt mich die Müdigkeit und ich schlafe ein. Da bin ich in meiner Entwicklung nicht über das Stadium eines Kleinkindes hinausgekommen.

Dieses Problem scheinen aber nicht alle zu kennen. Bei einer Umfrage, die der Börsenverein im April dieses Jahres durchgeführt hat, gaben 26,2% der Befragten an, dass sie gerne in Verkehrsmitteln lesen.

Ich lese lieber im Bett. Meiner Meinung nach kann es keinen gemütlicheren Ort dazu geben. Ich kuschel mich in meine Decke und versammele um mich herum allerlei Kissen. Auf dem Nachttisch stehen Süßigkeiten (für alle Fälle) und ein Becher Kaffee (Auch wenn die Vorstellung von einer dampfenden Tasse aromatischen Tees wunderschön ist und ich dieses Getränk mit Gelassenheit, Feingeistigkeit und  Genuss verbinde –  ich trinke es einfach nicht gerne. Für mich muss es schwarzer Kaffee sein, gerne auch am Abend). Ich klappe das Buch auf und vertiefe mich in die Geschichte. Wird mein einer Arm müde davon, das Buch zu halten, drehe ich mich um, oder nutze eins der Kissen als Ablage.

Mit meinem Lieblingsleseort liege ich voll im Trend. 57,8% der Befragten lesen am liebsten im Bett. Das konnten nur Sofa und Sessel noch toppen, die mit 71,7% klar auf Platz eins der beliebtesten Leseorte landeten. Sofa und Sessel sind auch in Ordnung, finde ich. Aber ich bevorzuge eben die Waagerechte.

Besonders beliebt sind auch Park, Balkon und Garten. Mit immerhin 13% belegte die Toilette – noch vor dem Friseur und dem Café – den drittletzten Platz. Manche Leser scheinen die besondere Atmosphäre eines Badezimmers mit den glatten Fliesen und glänzenden Amaturen als besonders geeigneten und inspirierenden Ort wahrzunehmen. Die gesamte Auswertung findet ihr hier.

Es gibt so viele Orte und Gelegenheiten, die sich zum Lesen anbieten: Beim Warten an der Bushaltestelle, im Park, in der Badewanne, im Flugzeug oder im Café, im Garten, am Strand, beim Pendeln mit der Bahn, im Wartezimmer, in der Hängematte, in der Buchhandlung usw. usf.

Wie ist das bei Dir? Wo liest Du am liebsten? Und wann nimmst Du Dir die Zeit dafür? Ich bin gespannt auf Deine Antwort!

Artikel verfasst von: +Maren Kahl