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"Medicus - Der Film"

Ganz nach dem Geschmack des Mainstream

Vor 22 Jahren las ich zum ersten Mal „Der Medicus“ von Noah Gordon und war fasziniert. Die Geschichte, die Beschreibung der Geschehnisse, der Landschaften, der zwischenmenschlichen Entwicklungen und nicht zuletzt das Leben von Rob Cole alias Jesse ben Benjamin zogen mich dermaßen in ihren Bann, dass „Der Medicus“ wohl zum von mir am häufigsten gelesenen Buch avancierte. Zuletzt verbrachten wir vor ein paar Jahren einige wunderschöne Stunden miteinander und es wird nicht allzu lange dauern, bis ich dieses Werk mal wieder genießen möchte.
So ist es nicht verwunderlich, das ich mich unglaublich freute, als ich von der Ankündigung des Filmes hörte. Mir war klar, dass ich - obwohl ich momentan nicht so die große Kinogängerin bin – diesen Film unbedingt sehen musste...und zwar so schnell wie möglich!

Vorgestern war es dann so weit.
Der Vorspann gefiel mir gut. Die Farben des Mittelalters wurden sehr gut eingefangen, Fragmente aus der Geschichte mit der passenden Musik kombiniert.
Überhaupt fand ich die gesamte Gestaltung sehr gut. Sowohl die Kulissen an sich als auch die Menschen, die überzeugend von der Masken- und Kostümabteilung zurecht gemacht wurden, verliehen dem Film eine sehr große Authentizität.
Ich ließ mich gefangen nehmen von der Stimmung der damaligen Zeit. Die gnadenlose Darstellung der Lebensumstände und auch die Macht der Krankheiten bedrückten mich, vor allem in England.
Die Zustände in Isfahan waren stellenweise ebenso düster, wenn auch in anderen Bereichen, wenn man mal von den überall wütenden Krankheiten absieht. Auch Kulissen, Maske und Kostüm aus diesem Teil des Films standen dem Anfang in nichts nach.
Ein weiterer Punkt, der mich begeisterte, war die schauspielerische Leistung der Darsteller. Ich nahm jedem einzelnen Schauspieler seine Rolle ab. Seien es der junge oder der ältere Rob, Ibn Sina, der Schar oder wer auch immer, ich fühlte mich wie mittendrin und verdrängte oft, dass ich ihm Kino saß.
Ein Juwel an meinem Filme-Himmel, könnte man meinen.....

….wenn ich nicht diesen einzigen Kritikpunkt hätte. Und der ist leider nicht klitzeklein sondern hebt meinen bisherigen Jubel fast auf.....Denn die Verfilmung des Medicus ist mehr Schein als Sein. Ich sah die Geschichte Isfahans und nicht die Geschichte des angehenden Medicus. Dies fand ich, und finde es noch immer, sehr bedauerlich.

Das Juwel am Bücher-Himmel, mit all seinen tiefen Zeichnungen der Charaktere, der teils filigranen Darstellung einiger Entwicklungen und Passagen musste Platz machen für einen sehr reißerischen Film, der die negativen Aspekte wie Kampf und Seuche sensationslüstern in den Vordergrund drängte. Sehr mainstream-tauglich würde ich sagen. Und dabei ist so viel verloren gegangen. Ich weiß nicht, wer von meinen Lesern das Buch kennt und wie präsent es noch ist.
Bei mir hatten sich einige Punkte so massiv festgesetzt und ich wartete vergeblich bis zum Schluss darauf. Natürlich kann man nicht alles berücksichtigen, was in einem mehrere hundert Seiten dicken Buch steht. Da es in der Geschichte um den steinigen Weg zum Medicus geht, mitsamt aller zusätzlichen Probleme, die der Protagonist hatte, geht es mir nicht in den Kopf, warum man den Studenten fast nie lernend sah, im Film gab es nicht eine einzige Prüfung, ebenso fiel die schwierige Wandlung vom Christen zum überzeugenden Juden fast völlig unter den Tisch. Die Freundschaft zwischen Jesse und zwei Mitstudenten wurde nur angedeutet und nicht in ihrer Vielschichtigkeit wiedergegeben.
Wer das Buch kennt, wird sich sicher an den Lauf erinnern, für den der angehende Medicus mit seinem Freund trainierte, oder die Phase wie er ganz zu Beginn voller Verzweiflung beim Bader das Jonglieren lernte. Ach, ich könnte noch viele mir wichtige Szenen nennen, die für mich die Seele des Buches ausmachten und sie wurden alle unter den Tisch fallen gelassen oder aber auch verfälscht dargestellt.

Wer „Der Medicus – das Buch“ nicht kennt, wird sicher Gefallen an dem Film finden. Wer aber fernab des Mainstream-Feelings eher auf eine sensible Umsetzung des Buches hofft, könnte enttäuscht werden.

Hat denn schon jemand von meinen Lesern den Film gesehen? Eure Meinung interessiert mich....immer.....aber heute ganz besonders!!
 

Kommentare

lesebrille kommentierte am 30. Dezember 2013 um 08:06

Ich habe die Vorpremiere des Films gesehen,fand ihn eigentlich auch sehr gut gemacht.

Besonders die schauspielerische Leistung  war insgesamt sehr gut,aber Ben Kinsley als Ibn Sina fand ich überragend.

Das große Problem der Verfilmungen,das man ein Buch  nicht 1.1 wiedergeben kann. Kürzungen muss es leider geben,das Lernen;Prüfungen und seine Wandlung waren wohl filmerisch schlechter umzusetzen(langweiliger darzustellen) als die Pestkatastrophe z.B. Innere Wandlungen,die der Medicus ja zahlreich erfährt,können in einem Film schlecht umgesetz werden,vieles wurde eben nur angedeutet.

 

Fornika kommentierte am 30. Dezember 2013 um 12:44

Ich war gestern im Kino und bin mit dem Film nicht wirklich glücklich geworden. Deine Kritikpunkte kann ich 1:1 unterschreiben, zudem bin ich der Meinung, dass diesem Film ein medizinischer Berater gut getan hätte. Teilweise war es ehrlich gesagt großer Quatsch.

Ja, man kann ein Buch schlecht Seite für Seite umsetzen, aber ich finde außer der groben Rahmenhandlung ist von diesem Buch kaum etwas über geblieben. Und das fand ich extrem schade.

Meine Mitkinogängerin fand ihn übrigens auch eher schwach und sie kannte das Buch nicht.

Irve kommentierte am 30. Dezember 2013 um 20:34

Als ich aus dem Kino rauskam, merkte man, wer das Buch kannte und wer nicht. Die Leser waren eigentlich alle enttäuscht. Ich denke aber, dass diese vielen Kämpfe und auch das Aufbauschen der Pest den meisten zusagen wird.

westeraccum kommentierte am 30. Dezember 2013 um 17:52

Ich habe bisher nur das Buch gelesen, das ist aber viele Jahre her.

Nachdem ich nun mehrere wenig positive Kritiken gelesen habe, werde ich mir den Film vermutlich schenken und mit lieber den zweiten Teil vom "Hobbit" ansehen.

Fornika kommentierte am 30. Dezember 2013 um 17:59

Den Hobbit fand ich wiederum sehr gut ; ) Scheint mir auf jeden Fall die bessere Wahl!

Irve kommentierte am 30. Dezember 2013 um 20:35

Diesen Film kenne ich (noch) nicht, aber das Buch mochte ich auch gerne :-)