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Charaktere in Romanen

Die besten Nebenfiguren

Nebenfiguren können viel mehr sein als selten auftretende Personen, die keine klaren Konturen haben. Sie können uns berühren, uns wünschen lassen, dass wir sie hätten näher kennenlernen dürfen, und uns noch lange nach der Lektüre in Erinnerung bleiben.

Sie steht im Schatten des Helden, wird nur am Rande erwähnt und bleibt oftmals blass. Manche Autoren geben sich nicht viel Mühe mit ihren Nebenfiguren, erfüllen sie doch einzig und allein den Zweck, die Geschichte voranzutreiben und für ein wenig Dynamik zu sorgen. Doch es geht auch anders. Nebenfiguren müssen nicht die kleinen Rädchen im Getriebe sein, die nur durch ihre Aufgabe innerhalb der Geschichte ihre Daseinsberechtigung haben, und anschließend wieder aus unserem Gedächtnis verschwinden. So manch eine Nebenfigur ist mir mehr ans Herz gewachsen als der Romanheld selbst. Und andere haben mich so neugierig gemacht, dass ich am Ende ganz enttäuscht war, nicht mehr erfahren zu haben.

Genau wie der Hauptcharakter braucht auch die Nebenfigur ihre eigene Geschichte, auch wenn sie nicht in allen Einzelheiten erzählt wird. Sie kann nur dann zum Leben erwachen, wenn sie auch in der Vorstellung des Autors ein Leben hat. Eine Kindheit, eine Familie, einen Beruf, Sehnsüchte und Träume, Macken und Gewohnheiten. Nur dadurch verliert sie ihre Eindimensionalität, wirkt dynamisch, vielschichtig und lebendig. Der namenlose Postbote, der nur auftaucht, um den lang ersehnten Brief bei Frau Müller abzuliefern, und anschließend wieder verschwindet, ist ein anderer als der Postbote, der dafür bekannt ist, sich gerne bis in die Nacht hinein in der örtlichen Dorfkneipe aufzuhalten, und morgens müde und übellaunig die Briefe austrägt. Während ich den ersten innerhalb von wenigen Seiten vergessen haben werde, weckt letzterer mein Interesse, auch wenn er vielleicht nur in einem Satz erwähnt wird. Da ist es in Büchern nicht anders als im wahren Leben. Auch dort gibt es zahlreiche „Nebenfiguren“, Menschen, zu denen man vielleicht kein besonderes Verhältnis hat, die man aber immer wieder trifft. Und auch ohne viel von ihnen zu wissen, sind sie doch Persönlichkeiten mit Eigenschaften und Merkmalen, die auch auf den ersten Blick auffallen. So begrüßt mich der dunkelhaarige Verkäufer in der Bäckerei um die Ecke jeden Tag mit einem gequälten Lächeln und müden Augen und fragt mich zum Schluss – immer mit dem gleichen Wortlaut und der monotonen, leicht gepressten Stimme, als würde er sich selbst dabei zu Tode langweilen: „Auch etwas zu trinken dazu?“. Und der dünne Mann mit grauem Bart, der am Empfang bei meinem Zahnarzt sitzt, summt gutgelaunt vor sich hin, während er Patientenakten heraussucht, Termine einträgt und sich um den Papierkram kümmert. Er summt und summt, und unterbricht sich nur selbst, wenn er mit einer kleinen Anekdote oder einem Witz die angespannte Stimmung im Warteraum etwas auflockern möchte.

So wie im wahren Leben sind es auch manchmal in Romanen die „Nebenfiguren“, für die man besonderes Interesse aufbringt. Aber nicht immer hat man das Glück, sie näher kennenzulernen.

Als ich Effi Briest las, ging es mir mit dem Vetter Dagobert so. Der gutgelaunte junge Mann, der sich in Effi verliebt und später zu deren Mann sagt: „Wissen Sie, Instetten, dass ich Sie am liebsten fordern und totschießen möchte? Denn Effi ist ein Engel, und Sie haben mich um diesen Engel gebracht.“ Schon als er das erste Mal auftauchte – und ich noch keinen Schimmer hatte, worum es in dem Buch gehen sollte – fühlte ich mit ihm. Seine gutmütige und herzliche Art hatte es mir angetan und ich hoffte, dass die beiden ein Paar werden würden. Doch als ich das Kapitel erreichte, in dem Mutter und Tochter sich über Effis Gefühle unterhalten, hätte ich am liebsten aufgeschrien und Effi geschüttelt.

„Und liebst du vielleicht auch deinen Vetter Briest?“

„Ja, sehr. Der erheitert mich immer.“

„Und hättest du Vetter Briest heiraten mögen?“

„Heiraten? Um Gottes willen nicht.“

Armer Vetter Briest. Ich hätte Dich gerne näher kennengelernt.

In vielen anderen Büchern ging es mir ähnlich. Gerne hätte ich mehr über Pis Frau in „Schiffbruch mit Tiger“ erfahren. Bei der Lektüre von „Odessa Star“ fand ich den Charakter von Freds Sohn besonders spannend, Professor Morrow in „Die geheime Geschichte“ war ein interessanter Protagonist und bei Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ hat Samsas Schwester Grete mein Interesse wecken können.

Mich würde interessieren, welche Deine liebsten Nebenfiguren sind? Und warum magst Du gerade sie?

Kommentare

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mesu kommentierte am 10. Dezember 2013 um 13:43

Es gibt wirklich tolle Nebenfiguren. Ich fand "Truhe" aus intelligentem Birnbaumholz  aus Rincewind der Zauberer von Terry Pratchett, einfach genial. Oder Tom Bombadil aus Herr der Ringe. Snape ist auch ein super Charakter. Der Bösewicht, der eigentlich doch kein so übler war.

Ben Sonntag kommentierte am 10. Dezember 2013 um 15:53

Truhe, natürlich! :) 

aenneken kommentierte am 11. Dezember 2013 um 14:30

Na wenn wir schon bei Pratchett sind, dann auch Nobby und Detritus

Ben Sonntag kommentierte am 11. Dezember 2013 um 14:51

Selbstverständlich. Die hatte ich weiter oben auch genannt. :)

marsupij kommentierte am 10. Dezember 2013 um 17:23

Gavroche gehört für mich auf jeden Fall dazu - aber dann wäre Les Misérables wohl noch länger geworden

aenneken murmelte am 11. Dezember 2013 um 14:57

Hups, das hab cih dann überlesen...

JulH1990 kommentierte am 13. Dezember 2013 um 09:29

Meine absolute lieblings Nebenfigur ist (und bleibt auch erstmal) Finnick Odair aus "Die Tribute von Panem". Ich finde seine Geschichte einfach nur toll und hätte unglaublich gerne mehr über ihn erfahren. Von mir aus, kann nochmal ein Dreiteiler nur über ihn und seine Vergangenheit rauskommen :o)

Kitty Catina kommentierte am 13. Dezember 2013 um 21:14

Ich habe "Tim" in "Mein Sommer nebenan" geliebt. Seine etwas chaotische Art ist einfach toll. Suzanna in "Daughter of Smoke and Bones/Days of Blood and Starlight" war auch super (so eine beste Freundin brauch man) und ich mochte Liesl`s Pflegevater in "Die Bücherdiebin" sehr, aber auch den Juden Max.

nikolausi kommentierte am 15. Dezember 2013 um 18:13

Ich hätte gerne mehr über die Frauen in Puntis "Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz" erfahren, mit denen der Protagonist vier außereheliche Söhne gezeugt hat. Insbesondere interessiert mich, warum sie so gar nichts voneinander wussten oder zumindest nicht den Verdacht schöpften, dass es noch andere Frauen (und Kinder) gab.

LeseEulchen kommentierte am 11. Januar 2014 um 10:27

Generell finde ich, dass ein Buch viel dazugewinnt, wenn es besonders lebendige Nebenfiguren hat und nciht nur so charakterlose Stereotypen.

Spontan kann ich aber leider keine Nebenfigur nennen, die mir besodners gefällt.

Welpemax kommentierte am 11. März 2014 um 15:39

Ein sehr interessantes Thema und um mal bei den besser bekannteren Bücher zu bleiben fange ich mit Harry Potter an und meine Meinung ist, das Ron und Hermine auch Nebencharaktere sind, allerdings nicht die, die mir zusagen in den Büchern bzw. der Serie, das sind in der Tat andere und zwar in erster Linie Prof. Mc Gonagall.

Ich hätte mir sehr viel mehr Auftritte im Buch gewünscht und auch mehr Anteile an wichtigen Stellen in den Büchern, leider war dem nicht so, aber dennoch eine tolle Frau und ein super Nebencharakter. Auf den Nachfolgenden Plätzen landet bei mir Snape und auf Platz 3 Dobby. Über Snape kann ich nur sagen das es relativ knapp ausfiel in meiner persönlichen Bewertung, denn der Charakter ist sehr vielschichtig und das macht ihn zu einem weiteren tollen Nebencharakter. Dobby ist einfach putzig und muss man mögen :D

So und nun zum zweiten Buch "Der Herr der Ringe", was durchaus schwieriger ist, denn wer ist da der Hauptcharakter bzw. wer die Nebencharaktere? Naja also aus meiner Sicht ist nur Frodo der Hauptcharakter und alle anderen Figuren Nebencharaktere auch wenn sie in den Büchern durchaus auch sehr viel beitragen. Aber definitiv ein großartiger Nebencharakter ist Tom Bombadil und mir ist schleierhaft wieso sie ihn im Film weggelassen haben :( aber ein weiterer toller Nebencharakter ist Baumbart :D und Gandalf (auch wenn viele sicherlich der Ansicht sind das es ein Maincharacter ist), aber Zauberer muss man einfach mögen :D 

Welpemax kommentierte am 09. April 2014 um 16:04

In meinem aktuellen Buch "Die Buchmagier" ist ein tierischer Nebencharakter. Sein Name ist "Klecks" und er ist eine 10 cm lange Feuerspinne. *vor Freude kreisel*

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