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Als ich zufällig einen bekannten Kinderbuchillustrator traf...

Manchmal ist man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort...

Vor einigen Tagen brachte ich meinen Sohn in  den Kindergarten und gönnte mir noch eine schnelle Tasse Kaffee im Elterncafe. Die Leiterin kam mit einem netten Herrn zu uns, der sich zu uns gesellte. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass es der Illustrator Silvio Neuendorf war. Ihr kennt Silvio Neuendorf nicht? Wetten doch! Sicher kennt ihr zumindest eine seiner Schöpfungen! Er ist nämlich der "Papa" von Käpt´n Sharky und DEN kennt doch so ziemlich jeder, oder?   Unsere Kindergartenkinder hatten ihn quasi "gewonnen" und er war nun dort, um gemeinsam mit Ihnen ein wenig Zeit zu verbringen und natürlich zu zeichnen.

Mein Bloggerherz schlug natürlich höher. Diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen und so plauderten wir eine Weile. Ich fragte, ob ich ihn vielleicht bezüglich eines Interviews kontaktieren dürfe ….  das Ergebnis könnt ihr hier lesen :)

Zunächst aber noch ein paar Infos zum Illustrator

Silvio Neuendorf wurde 1967 quasi in meiner Nachbarschaft in Echtz bei Düren geboren. Nach dem Abitur zog er nach Aachen und studierte dort an der FH Grafik-Design. Anschliessend folgte der Zivildienst in einem Kinder- und Jugendheim. 1995 heiratete er jetzige Frau und ist seither auch selbstständiger Illustrator. 1998 wurde sein Sohn Robin geboren und seit November 2008 lebt ihr Pflegesohn Leon bei ihnen.  

Und hier nun das Interview:

1. BEI UNSEREM GESPRÄCH ERZÄHLTEN SIE MIR, DASS DER ILLUSTRATOR EINES KINDERBUCHES MEISST „FREIE HAND“ IN BEZUG AUF DIE MOTIVE HAT. WIE GEHEN SIE VOR, UM SICH VOM TEXT DES BUCHES ZU DEN BILDERN INSPIRIEREN ZU LASSEN?

Ich lese mir den Text durch, dabei entstehen meistens schon ganz automatisch die ersten Bilder und ich merke relativ schnell, welcher Teil des Textes einer Doppelseite sich am besten für ein gutes Bild eignet. Zur Inspiration google ich zu Beginn eines Projekts viel durch entsprechende Bilder, schaue mir Bücher, Filme, Zeitschriften zum jeweiligen Thema an (und auch, wie gute KollegInnen mit dem Thema umgegangen sind, ich besitze eine sehr umfangreiche - internationale - Bilderbuchsammlung). Der Vorteil dieser eher locker angegangenen, recht umfangreichen "Materialsammlung" ist, dass man darüber eher beiläufig und spielerisch mit einem Buch startet (eine Skizze hier ... eine Notiz da ...). Nichts ist schlimmer und hemmender als sich vor ein großes weisses Blatt zu setzen und zu sagen "Jetzt muss ich anfangen und heute Mittag muss das Blatt gefüllt sein!"

2. WIE ICH GESEHEN HABE SCHREIBEN SIE MIT RECHTS, ZEICHNEN ABER MIT LINKS. WIE KAM ES DAZU?

Ich gehörte zum letzten Grundschuljahrgang, bei dem es noch Pflicht war, mit rechts zu schreiben, deshalb habe ich schreiben - ein bisschen gegen meine eigentliche Veranlagung - mit rechts lernen müssen und bin beim Zeichnen bei links geblieben. Zum Glück hat man diese bescheuerte Reglementierung mittlerweile abgeschafft und jeder darf so schreiben, wie es ihm liegt (auch wenn ich zugeben muss, dass es ab und zu lustig ist, "beidhändig" zu können…)

3. WAS SAGEN EIGENTLICH IHRE BEIDEN KINDER DAZU; DASS SIE DER „PAPA“ VON KÄPT`N SHARKY SIND?

Die geben natürlich gerne mit mir an …:-)

Aber ansonsten ist das eben mein Beruf, für sie ist es ganz normal, dass ich Bilderbücher male, es ist für die beiden nicht ganz so aufregend und besonders wie für "fremde" Kinder... im Alltag werde ich allerhöchstens mal mit einem "sieht schön aus" oder "cool"bedacht...

4. WIR HABEN UNS KURZ VOR IHREM BESUCH DER KINDERGARTENKINDERN GETROFFEN. AUF IHRER HOMEPAGE KONNTE MAN WEITERE FOTOS SEHEN, BEI DENEN SIE VOR/FÜR STAUNENDE KINDERGESICHTER ZEICHNEN.

WAS IST DAS BESONDERE FÜR SIE DARAN; VOR DIESEN JUNGEN FANS IHRE KUNST ZU ZEIGEN?

Es ist eine seltene Gelegenheit, ganz unmittelbar erleben zu können, wie meine Bilder auf mein "Zielpublikum" wirken, ansonsten sitze ich ja nur relativ isoliert und für mich in meinem Arbeitszimmer und die einzigen Rückmeldungen kommen vom Verlag oder meiner Familie. Es ist jedesmal eine richtige Frischzellenkur, vor Kindern zu zeichnen und es macht ungeheuren Spass, zu sehen, dass man Kinder mit wenigen Strichen begeistern kann (ganz ohne dass ein Computer oder Fernseher im Spiel ist…das lässt doch hoffen… ;-)).

5. GIBT ES IN DIESEM ZUSAMMENHANG EINE NETTE ANEKDOTE, DIE SIE UNS ERZÄHLEN KÖNNEN?

Da gibt es eigentlich viele schöne nette und herzerwärmende kleine Momente beim Zeichnen vor Kindern, vor allem später, wenn ich mich mitten zwischen die Kinder setze und für jeden noch ein kleines Bild zum Mitnehmen zeichne. Da ist die Aufregung und das Geschiebe immer ganz gross und oft gibt es Kinder, die die ganze Zeit bemüht sind, möglichst schnell dranzukommen, ein bisschen Rumgeschubse hier, ein bisschen Gemaule da, und die lasse ich dann oft absichtlich ein bisschen warten (ist ja nicht irgendwie böse gemeint, am Ende kriegt jeder ein Bild, vorher gehe ich nicht weg) und nehme ganz gezielt die zuerst dran, die ruhig dastehen und sich das Ganze schüchtern anschauen. Toll ist dann, wie sich die "Rabauken" trotzdem immer wieder zusammenreissen und ihren offensichtlichen Ärger, dass sie immer noch nicht dran sind, in den Griff kriegen (schliesslich wollen sie ja noch ein Bild… :-)…und irgendwann sind sie dann dran und dann habe ich es ganz oft erlebt, dass sie in dem Moment so perplex sind, dass sie plötzlich gar nicht mehr ihren Namen wissen, geschweige denn, welches Tier ich für sie malen soll…

auch sehr schön ist, wenn die Kinder irgendwann unaufgefordert anfangen, ihrerseits Bilder für mich zu malen, da habe ich schon eine ganze Menge toller Bilder bekommen…ich habe mal in Esslingen in einer Grundschule gezeichnet, da hatte ein Junge kein Papier zur Hand, nur einen Stift. Er schenkte mir dann ganz verlegen ein Taschentuch, auf dem stand "du malst tool" ...da geht einem echt das Herz auf!

6. WENN SIE AN EINEM NEUEN BUCH ARBEITEN, WIE STRUKTURIERT IST DANN IHR TAGESABLAUF? ZEICHNEN SIE „ zwischen 8:00 und 15:00 Uhr“ ODER KANN ES DURCHAUS AUCH SEIN; DASS SIE MITTEN IN DER NACHT ANFANGEN; WEIL IHNEN EINE TOLLE IDEE IN IHREM KOPF SCHWIRRT?

Ich muss leider früh aufstehen, weil die Kinder ja wg. Schule früh aus dem Haus müssen und da teile ich mir mit meiner Frau das Frühstückmachen. Sind die Kinder dann weg, gönne ich mir den Luxus, noch ein wenig Pause zu haben bis es mit der Arbeit losgeht (oft laufe/walke ich mit meiner Frau noch eine Stunde). Dann geht es irgendwann los, aber ich habe wirklich keinen "Stechuhr"-Tagesablauf, es gibt oft kleinere Pausen, aber dann auch wieder Zeiten des "völligen Abtauchend", wo ich durch den Ruf "Abendessen ist fertig" aus meiner anderen Welt gerissen werde. Selten geht es auch nach dem Abendessen noch ein bis zwei Stunden weiter…aber das kommt immer darauf an, wie nah der Abgabetermin ist und "wie ich in der Zeit liege"…das ist das Schöne am Selbstständigsein: Man kann arbeiten, wann man will oder wann es gerade passt und deshalb fühlt es sich ganz oft gar nicht wie Arbeit an...

7. WIE LANGE DAUERT DIE ILLUSTRATION EINES BILDERBUCHS VOM ERSTEN GROBEN ENTWURF BIS ZUM LETZTEN PINSELSTRICH?

Kommt auf die Art des Buchs an, Wimmelbücher dauern viiiiel länger … ;-)…. aber in der Regel muss alles in 2 - 3 Monaten erledigt sein, damit man genügend Bücher pro Jahr schafft, um davon leben zu können (naja, das ist jedenfalls in der Regel so, ich gebe zu, dass das seit Sharky nicht wirklich mehr ein Problem ist, aber trotzdem behalte ich dieses Arbeitstempo wie früher ungefähr bei)

8. WENN SIE EINE GESCHICHTE SCHREIBEN WÜRDEN, WIE WÜRDE DIE AUSSEHEN? WELCHE FIGUREN WÜRDEN DARIN VORKOMMEN?

Ich habe ganz am Anfang meiner Karriere mal ein Buch geschrieben und illustriert, da ging es natürlich - wie kann es anders sein - um ein Nashorn (es war ziemlich ambitioniert, es ging im Endeffekt um Fremdenfeindlichkeit)…irgendwann nach Jahren ist dieses Buch auch mal - allerdings nicht wie ursprünglich gedacht als Bilderbuch sondern als Erstleser - bei Nord-Süd erschienen, hat sich aber nicht gut verkauft und ist auch schon ewig wieder vom Markt. Es war aber gut, dass ich diese Erfahrung am Anfang gemacht habe, ich habe dabei gelernt, dass mir Schreiben nicht annähernd so leicht von der Hand geht wie Zeichnen…und so bleibe ich seither lieber bei dem, was ich am besten kann...

9. SIE HABEN SCHON SO VIELE TOLLE KINDERBÜCHER ILLUSTRIERT. IST IHNEN NOCH NIE DIE IDEE GEKOMMEN, MAL EIN KINDERBUCH ZU ILLUSTRIEREN UND ZU SCHREIBEN?

s.o.

Das Schöne daran, in der Kinderbuchszene einen gewissen Namen zu haben, ist auch, dass es durchaus Verlage und Lektorinnen gibt, die einen fragen, was man denn gerne mal illustrieren möchte. Dann wird ein Autor beauftragt, etwas in der Richtung zu schreiben… ich habe vor kurzem ein Buch malen dürfen, in dem ein Junge in den Weltraum fliegt…cool!…so kann ich bei meiner Profession bleiben und trotzdem meine Phantasien ausleben, besser geht´s nicht!...

10. IHR LIEBLINGSTIER UND MARKENZEICHEN IST DAS NASHORN, DAS, WIE SIE AUF IHRER HOMEPAGE SCHREIBEN; IN FAST JEDEM IHRER FAST 100 BÜCHERN VERSTECKT IST: WIESO IST GERADE DIESES TIER IHR LIEBLINGS-CHARAKTER UND WARUM FINDET MAN ES IN ALL DEN BÜCHERN?

Kann ich nicht wirklich sagen, ich fand Nashörner immer faszinierend, sie sehen so wunderbar urtümlich aus, wie aus einer längst vergangenen Zeit…sie bedeuten irgendwie Abenteuer, wirken so mürrisch entrückt, ihnen kann keiner was…

vielleicht mag ich sie aber auch nur, weil ich selber eine grosse Nase habe… ;-)

Ich mag es sehr, auf meinen Bildern abseits der eigentlichen Geschichte kleine Dinge passieren zu lassen und damit die Kinder noch mal auf einer anderen Ebene als der eigentlichen Erzählung anzusprechen und sie zum Suchen und Erforschen anzuregen. Das Verstecken des kleinen Nashorn hat sich dabei eher zufällig als running gag ergeben...

Darüberhinaus haben mich von Klein an Tiere aller Art fasziniert und ich habe eigentlich ganz viele Lieblingstiere (zu Hause am liebsten meine Katze…gibt es etwas friedlicheres als mit einer schnurrenden Katze im Schoss im Sessel zu sitzen?)

 

Lieber Herr Neuendorf. Vielen lieben Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben um mir meine Fragen zu beantworten. Es war toll, Sie persönlich kennen gelernt zu haben. Ich habe unser Gespräch sehr genossen!!!