Rezension

Zehntausend Stunden

Der Klang der Wälder -

Der Klang der Wälder
von Natsu Miyashita

„Der Klang der Wälder“ hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil ich Lautmalerei mag: Wenn in Büchern mit Worten Musik beschrieben wird. Dahingehend wurden meine Erwartungen voll erfüllt. Trotzdem ist die Musik eigentlich gar nicht das zentrale Thema in diesem Buch. Was wir hier haben, ist vielmehr eine Geschichte über’s Lernen und Durchhalten.

Inhalt:

Der siebzehnjährige Tomura erlebt in seiner Schulturnhalle einen Schlüsselmoment, als er dabei zusieht, wie der erfahrene Klavierstimmer Itadori dort den Flügel stimmt. Er ist überwältigt vom Klang des Instruments, das ihn an die Wälder in den Bergen erinnert, nahe dem Ort, in dem er geboren ist. Tomuras Entschluss steht fest. Er will Klavierstimmer werden, obwohl er selbst überhaupt keine musikalischen Kenntnisse hat. Von nun an stellt er sein ganzes Leben in den Dienst des Instruments. Doch der Weg ist steinig. Seine Lehrjahre sind geprägt von Unsicherheit und Selbstzweifel. Tomura ringt darum besser zu werden. Ganz besonders als er die junge Pianistin Kazune und ihre Zwillingsschwester Yumi kennenlernt. Nachdem er sie spielen gehört hat, wünscht er sich nichts sehnlicher, als gut genug zu sein, um ihrem Talent gerecht zu werden.

Meine Meinung:

Zehntausend Stunden müsse man üben bis man etwas richtig beherrscht, sagt eine von Tomuras Kolleginnen im Laufe des Buchs. 

Ich habe mich selbst in der Geschichte wiedergefunden. Und zwar nicht im musikalischen Teil, sondern in dem, der von dem Drang erzählt, immer besser werden zu wollen und dabei nie gut genug zu sein. Zweifel zu haben, ob die eigenen Fähigkeiten ausreichen, um den Weg zu gehen, den man gewählt hat. Dieser Teil ist es auch, der den größten Raum in der Erzählung einnimmt.

Ich hatte mir eigentlich eine Art doppelte Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann und der Musik und zwischen Tomura und Kazune erwartet. Aber das ist dieses Buch nur am Rande. 

Tomura ist ein sehr spezieller Protagonist. Er ist vollkommen auf seine Ausbildung als Klavierstimmer fixiert. In seinem täglichen Leben nimmt scheinbar nichts anderes Raum ein. Freunde hat er keine und auch über seine Familie erfährt man nur im Ansatz etwas. Das Klavierstimmen behandelt er mit einer Ernsthaftigkeit als würde er sich zum Herzchirurgen weiterbilden lassen. Er ist verliebt in die Klaviermusik und jeder Misserfolg ist eine absolute Katastrophe für ihn. Gleichzeitig kam er mir allerdings in allen anderen Lebensbereichen seltsam gedämpft und naiv vor. Alles in allem ist er in der Geschichte eher blass geblieben. 

Die Stärken des Buchs liegen für mich also nicht in den Charakteren, sondern in der Sprache. Die wunderschönen Bilder zu Musik, Klavier und Wald. Die sanfte Klarheit in den Sätzen. Und natürlich die Darstellung von Tomuras Kampf mit seinen Fähigkeiten. Hier hätte ich gerne noch ein paar weiterführende Erklärungen gehabt. Ich verstehe nämlich immer noch nicht, wo das eigentliche Problem des Protagonisten lag. Hatte er tatsächlich von Grund auf wenig Talent oder war er sich selbst einfach nie gut genug? Vielleicht wurde das aber auch bewusst nicht aufgeklärt.

Die Geschichte ist kurz und ihr Ende kommt sehr abrupt. Ich war beinahe irritiert, weil so viel offen gelassen wurde. Ich hätte mir gewünscht, dass der Leser Tomura noch etwas länger begleiten kann, dass man vielleicht miterleben kann, wie seine Beziehung zu Kazune im Laufe der Zeit intensiver wird. 

Um es auf die musikalische Art zu sagen: „Der Klang der Wälder“ ist ein leises Buch, voller Poesie aber auch Anstrengung. Wer sich einen straffen Spannungsbogen wünscht, ist hier falsch. Wer aber auch gerne liest, weil Worte einfach schön sind und weil es immer wieder wundersam ist, was man mit ihnen alles erschaffen kann, der ist richtig.

Fazit: 

„Hell, ruhig und klar, an wehmütige Erinnerungen rührend, zugleich aber mit einer milden Strenge in die Tiefe gehend. Schön wie ein Traum und greifbar wie die Wirklichkeit.“

So sollte laut dem Buch ein Klavier klingen und Literatur geschrieben werden. „Der Klang der Wälder“ erfüllt meiner Meinung nach weitgehend seinen eigenen Anspruch. Das Einzige, was mir am Ende gefehlt hat, sind greifbarere Protagonisten.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. Februar 2021 um 11:02

Fehlt nur noch eine Sternebewertung, damit man klar sieht.

wandagreen kommentierte am 03. Februar 2021 um 11:02

Fehlt nur noch eine Sternebewertung, damit man klar sieht.