Rezension

Wieder starke autobiographische Züge...

Unterm Rad - Hermann Hesse

Unterm Rad
von Hermann Hesse

Bewertet mit 4 Sternen

Zu den wichtigsten Frühwerken Hermann Hesses gehört sein Schulroman "Unterm Rad" über das Schicksal eines begabten Kindes, das am Erwartungsdruck seines Vaters und der Umwelt zerbricht. Hesse hat darin viel von dem verarbeitet, was er selbst erleben mußte. So glaubten seine Erzieher, den 14jährigen in einer Heilanstalt für Schwachsinnige und Epileptische unterbringen zu müssen. Es war der Leidensdruck dieser frühen Erfahrungen, der ihn zum Schriftsteller gemacht hat und dem auch seine späteren Werke ihre Brisanz und zeitlose Aktualität verdanken. Wie kein anderes Werk des Dichters hat dieses Buch eine genau dokumentierbare Vorgeschichte, die hier erstmals in allen überlieferten Lebenszeugnissen vorgestellt wird und ein authentisches Bild der Pädagogik vom Ende des 19. Jahrhunderts entwirft.

"Hans Giebenrath war ohne Zweifel ein begabtes Kind..." So beginnt der zweite von Hesse geschriebene Roman und erzählt von der Jugend des talentierten Knaben, der durch die Hoffnungen und den Ehrgeiz seiner Umgebung um seine Kindheit gebracht wird. Lernen statt Leben - anfangs folgt Hans fromm diesem Leitsatz, ist selbst stolz, das Landesexamen bestanden zu haben und die Klosterschule Maulbronn auf Staatskosten besuchen zu dürfen.
Auch hier zeigt er sich zunächst strebsam, im Bemühen Primus zu werden, findet dann aber Anschluss an ein rebellisches Genie in seiner Klasse, Hermann Heilner. Immer weniger vermag Hans fortan seine Strebsamkeit aufrechtzuhalten, sinkt in der Anerkennung seiner Lehrer und verliert immer mehr den Anschluss. Als Hermann Heilner aufgrund seiner provokanten Haltung schließlich die Anstalt verlassen muss, bricht Hans Giebenrath zusammen...

Der Roman selbst ist recht handlungsarm. Dafür geht Hesse ausführlich auf die Seelenzustände seines Protagonisten ein - sei es durch eine direkte Schilderung derselben, sei es durch Spiegelungen in der Natur. Sehr bildhaft setzt Hesse ganze Landschaften lebendig vor Augen des Lesers, selbst kleinste Details gewinnen dabei an immenser Bedeutung.
Hans Giebenrath gerät in seiner Schullaufbahn sprichwörtlich unters Rad, denn die starren gesellschaftlichen und schulischen wie kirchlichen Etiketten, Regeln und Gepflogenheiten zwängen alle gleichermaßen in ein enges Korsett, dem alle Individualität zum Opfer fällt und das manchen sensiblen Seelen keine Luft zum Atmen lässt...

Auffällig ist auch bei diesem Roman Hesses wieder der starke autobiographische Bezug zu eigenen Erlebnissen des Autors.
So ist das rebellische Genie Hermann Heilner in dem Buch ein jugendliches Selbstporträt des Dichters. Hesse selbst ist seinerzeit aus dem Kloster Maulbronn geflohen, und auch ihm wurde eine normale Entwicklung versagt. So glaubten seine Erzieher, den 14jährigen gar in einer Heilanstalt für Schwachsinnige und Epileptische unterbringen zu müssen. Hesse schildert in seiner Erzählung Stufen seiner eigenen Entwicklung und verarbeitet dabei belastende Erinnerungen, insbesondere auch den Selbstmord seines jüngeren Bruders Hans...

Arthur Eloesser meint zu dem Buch: "Eine Anleitung [...] wie man einen begabten jungen Menschen zweckmässig zugrunde richtet."
Auch wenn der Schreibstil der damaligen Zeit entspricht und zeitweise etwas langatmig anmutet, hat die Aussage des Buches bei allen gesellschaftlichen Veränderungen bis heute nichs an Aktualität verloren.

Beeindruckend...

© Parden