Rezension

Wie es einem Roman ergeht, der vom Leser zu viel verlangt.

Die Nibelungen -

Die Nibelungen
von Felicitas Hoppe

Bewertet mit 1 Sternen

Ich finde deutsche Sagen klasse. Gesponnen klar und ganz anders als griechische Mythologie - aber irgendwie klasse. Ich wollte diesen Roman also unbedingt lesen und ich wollte ihn unbedingt mögen - aber ich bin aus meinem Gewand gesprungen. Vermutlich zu blöd für den Roman.

Kurzmeinung: ohne Vorwissen quasi unlesbar.

Die Autorin Felicitas Hoppe findet sich mit dem Roman „Die Nibelungen“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2021.

Sie erzählt aber keineswegs stringent diese märchenhafte und buchstäblich sagenhafte Sage nach. Sondern sie verklausuliert deren Handlung, indem sie eine Freilichttheater-Aufführung, die wohl in Worms jährlich wiedergegeben wird, rezipiert, kommentiert und ironisiert.

Das macht sie durchaus kompetent und klug und auch interessant, und wäre sicherlich ein reines Lese-Vergnügen - wenn man denn dieser Aufführung jemals beigewohnt hätte! Hat man nicht und man ist verärgert!

Oder wenn Hoppe "uns" sagen würde, was in Worms jedes Jahr so läuft. Aber nein, das muss man sich erst auf Wiki anlesen! Überhaupt, ist "Die Nibelungen" etwas für Leser, die jährlich nach Bayreuth pilgern - und nach Worms - und das Feuilleton lesen. Aber ein Roman, der sich ausschließlich ans deutsche Bildungsbürgertum richtet, fällt bei mir durch.

Denn dies ist der Knackpunkt. Die Autorin setzt den Bildungsbürger per se für ihren Roman voraus. Schon allein, dass das Personenregister sich im Nachklapp befindet und nicht im Vorspann, spricht Bände!

So wendet sie sich immer wieder in „Wir-Form“ an das Publikum. „- Als wüssten wir nicht alle genau, was jetzt kommt. Schließlich sind wir seit Jahren darauf vorbereitet und haben Karten für die erste Reihe bestellt …“. Nein, haben wir nicht, liebe Frau Hoppe. Und es wäre schön gewesen, Sie hätten sich ein Vorwort einfallen lassen, in dem sie uns vorwarnen und beschreiben, was Sie zu tun gedenken! Dann hätte es mehr Punkte gegeben. Viel mehr. Denn Witz, wie gesagt, und Kompetenz sind durchaus vorhanden. Nur die Pädagogik läßt mehr als zu wünschen übrig.

Der Kommentar:
Was hätte aus diesem Roman und Stoff nicht für ein großartiges Werk werden können! Wenn man ihn ein wenig gefälliger vorgetragen hätte. Man hätte zum Beispiel jedem Kapitel eine kurze Inhaltsangabe des Sagenstoffes voranstellen können - bevor man ihn ironisiert.

Es ist doch so: Heutzutage kann man kein kein homogenes Publikum mehr voraussetzen, das mit den deutschen Sagen und Legenden und Märchen vertraut ist, sie buchstäblich mit der Muttermilch aufgesogen hat. Das ist vermessen.

Es bräuchte also mindestens ein paar erläuternde Worte dazu im Vorspann. Die „uns“ versagt bleiben. Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Es gibt wenige Romane, die ein Vorwort mehr brauchen könnten.

Aus dem ganzen intellektuellen Gesülze sich den Inhalt der Sage herauszuziehen ist (mir) zu mühsam, da liest man doch lieber gleich die Sage. Danach könnte man mitreden, vielleicht, aber auch nur vielleicht, denn es könnte sein, dass man, um den Witz, der unzweifelhaft im Roman steckt, würdigen zu können, man zusätzlich die entsprechende Aufführung, auf die der Roman sich bezieht, einmal angesehen haben muss.

Fazit: Was will die Autorin mit der Rezeption eines Theaterstücks, eines ganz speziellen Theaterstücks sogar, eigentlich erreichen? Der Sinn hat sich mir nicht erschlossen.

Kategorie: Belletristik
Verlag: Fischer, 2021

Auf der Longlist des DeutschenBuchpreises 2021