Rezension

Wenn man die Fesseln der Vergangenheit nicht loswird – tief berührendes Drama

Von hier bis zum Anfang
von Chris Whitaker

Bewertet mit 5 Sternen

Star - alleinerziehend, rauschmittelabhängig, nachts arbeitend – kommt über den Tod ihrer kleinen Schwester Sissy vor 30 Jahren nicht hinweg. Statt sich um ihre Kinder Duchess (13) und Robin (5) zu kümmern, versinkt sie immer wieder im Alkoholrausch, kann sich zu nichts aufraffe, außer ihrem Job in einer Bar. Eigentlich ist sie völlig kaputt. Gut, dass es da Chief Walk gibt. Die beiden kennen sich ihr Leben lang und Walk fühlt sich ein Stückweit verantwortlich für Star und ihre Kinder. War es doch sein bester Freund Vincent, der damals wegen des Todes von Sissy verurteilt wurde. Duchess ist für Robin wie eine Mutter, kümmert sich um alles, auch um Star, wenn diese mal wieder in ihrem eigenen Erbrochenen liegt. Um irgendwie in der ganzen beschissenen Situation überhaupt überleben zu können und nicht einfach aufzugeben, flüchtet sie sich in die Vorstellung, sie sein ein Outlaw. Dementsprechend ungehobelt ist ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen. Sie lässt sich nichts gefallen, ist rotzfrech und abweisend. Sie ist schon ganz unten - also, was solls!?

Als Star aus Rache an Darke, der nicht gut zu ihrer Mutter ist, dessen Bar anzündet und das Überwachungsvideo entwendet, setzt sie damit eine Kettenreaktion in Gang, die ungeahnte Ausmaße annimmt. Zudem wird Vincent nach 30 Jahren aus dem Knast entlassen und kehrt nach Cape Haven zurück. Als Star dann eines Tages erschossen wird, steht das Leben aller Beteiligten Kopf. 

Das Buch mit seinen außergewöhnlich brillant beschriebenen Charakteren und der komplexen Story übt einen Sog aus, der seinesgleichen sucht! Der Aufbau ist so perfekt, es geschehen immer neue Wendungen, nichts läuft so, wie es soll und wie man es sich für Duchess und Robin wünscht. Und das tut echt weh und treibt einem die Tränen in die Augen. Jeder einzelne Charakter ist detailreich ausgearbeitet, so dass man als Leser alle schon lange zu kennen scheint. Ich lese nicht einfach nur ÜBER sie, sondern bin Teil von ihnen – was es zu einem extrem berührenden Leseerlebnis macht. Die ganze Zeit hatte ich das Setting und die Personen bildhaft vor meinem Auge, konnte schon fast die brennende Sonne bzw. den eiskalten Schnee spüren. Selten, dass ein Buch mich so intensiv die Geschichte erleben lässt. In mir so viele verschiedene Gefühle (Freude, Trauer, Hass, Unverständnis, Wut, Bewunderung, Verachtung u.s.w.) auslöst. Kein Buch, das man nach dem Lesen zur Seite legt und zum nächsten übergeht. Das hier legt man zur Seite, atmet erst mal tief durch und lässt alles sacken. Es wirkt noch lange nach und ist sicher eines meiner diesjährigen Highlights. Die Figuren – allen voran Walk, Duchess, Vincent und Dolly – werden sicher noch lange in meinem Kopf herumspuken. 

Ein durch und durch großer und ergreifender Roman über Schuld und Vergebung, über die Fesseln der Vergangenheit, die – wenn man sich nicht von ihnen lösen kann – das Leben bis in die Gegenwart beeinflussen. Unfassbar genial und daher eine absolute Leseempfehlung. Das Buch berührt!

Meine ausführliche Rezension inkl. Leseprobe und mehr findet ihr wie üblich in meinem Blog LESEZAUBER_ZEILENREISE.