Rezension

Wenn die Ordnung der alten Welt verschwindet

Das Vorkommnis -

Das Vorkommnis
von Julia Schoch

Bewertet mit 4 Sternen

 

In Julia Schochs neuem Roman “Das Vorkommnis“ stellt eine Autorin in einer norddeutschen Stadt ihren neuen Roman vor. Im Anschluss an die Lesung teilt ihr eine Unbekannte beiläufig mit: „Wir haben übrigens denselben Vater.“ (S. 7). Diese Information verändert das Leben der namenlosen  Ich-Erzählerin für immer. Jahre später wird sie den Vorfall zwar für ein alltägliches Phänomen halten, aber dennoch feststellen: „Gleichzeitig spürte ich, dass das Ereignis durch mein Leben gefahren war wie eine Axt.“ (S. 167). Die Erzählerin beschäftigt sich von da an intensiv mit der Geschichte ihrer Familie, ihrer Kindheit, dem Verhältnis zur 6 Jahre älteren Schwester, zu den Eltern und mit dem Thema Erinnern und Vergessen, aber auch mit dem Leben in der DDR vor und nach der „Revolution“, dem Zusammenbruch 1989. Sie stellt alles in Frage, auch Ehe und Mutterschaft, vor allem immer wieder ihre spontane Reaktion auf die Unbekannte, der sie sofort um den Hals gefallen ist. Später fragt sie sich, ob sie Kontakt zu ihr hätte halten sollen, ob sie sie nach ihrem Leben hätte fragen müssen. Erst Jahre später trifft sie sie noch einmal. Die Halbschwester wird jedoch nie Teil ihrer Familie. Die Erzählerin zieht für eine Weile mit ihrer Mutter und den zwei kleinen Kindern in den Ort Bowling Green in Ohio. In dieser Zeit verändert sich auch ihre Beziehung zu ihrem Mann sehr stark. Sie misstraut ihm, rechnet in jedem Augenblick mit schmerzlichen Enthüllungen. Mit dem Credo „Alles ist möglich“ oder auch „Alles ist normal“ (S. 179-180) versucht sie, sich zu schützen.

„Das Vorkommnis“ ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Auf die Fortsetzung bin ich gespannt. Mir hat das Buch auch sprachlich-stilistisch sehr gut gefallen. Ich empfehle es allen, die nicht nur handlungsbetonte Romane lesen.