Rezension

Von hoher Komplexität

Otmars Söhne
von Peter Buwalda

Nur 24 Stunden schildert Buwalda auf den mehr als 600 Seiten seines Romans, die dem Leser einiges an Durchhaltevermögen abverlangen. Doch schafft er es spielend, zumindest meine Aufmerksamkeit zu halten.

Er erzählt von drei Menschen, deren Leben sich berühren und die sich miteinander verflechten. Auf der unwirtlichen sibirischen Insel Sachalin muss Ludwig, der auf einer Geschäftsreise hier den CEO des Shellkonzerns, Johann Tromp, getroffen hat, seinen Heimflug in die Niederlande wegen eines Schneesturm verschieben. Ludwig, der mit seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, ahnt: jener Tromp könnte sein leiblicher Vater sein. Während er noch zögert sich ihm zu offenbaren, begegnet er seiner ehemaligen WG-Mitbewohnerin Isabelle, die zu einem Interview mit Tromp ebenfalls auf die Insel geflogen ist. Geschickt lässt der Autor in diese Wartezeit ausführliche Rückblicke und Erinnerungen einfließen. Ludwig denkt zurück an seine Kindheit, das Leben mit Stiefvater und –geschwistern, seinen beruflichen Werdegang und seine Begegnung mit Isabelle in seiner Studentenzeit. Ebenso erfahren wir aus Isabelles Sicht von ihrer Familie und ihren Erlebnissen als investigativer Journalistin. Buwalda knüpft ein kompaktes Netz aus den Themen Familie, Identität, Loyalität, Schuld; vor allem das Thema Sexualität prägt den Roman. Dabei erzählt er so detailliert, dringt so tief in die Gedanken- und Gefühlswelt seiner Protagonisten ein, dass sich der Leser wie ein Voyeur vorkommt.

Raffiniert konzipiert und lebendig geschrieben, fesselt seine Erzählung dennoch. Allerdings lässt er den Leser nach dem Countdown (beginnend mit Kapitel 111) bei Kapitel 75 mit einem unerwartet offenen Ende zurück, so dass kein Zweifel bleibt, dass eine Fortsetzung geplant ist: es handelt sich um den ersten Teil der Trilogie 111.