Rezension

Verstörend, fesselnd, einnehmend

Animal
von Lisa Taddeo

Bewertet mit 4 Sternen

Animal ist kein Buch für ruhige Lesestunden, denn Ruhe wird man damit nicht finden. Animal steckt voller Wut, Hass und Verletzungen. Würde man Triggerwarnungen vorne an Bücher schreiben müssen, wäre diese Liste bei Animal lang. Sehr lang.

Joan ist der Hauptcharakter dieses Buches, deren Lebensgeschichte man nach und nach erfährt. Joan ist vieles, aber nicht sympathisch. Sie ist wütend, egozentrisch, verletzt, verschwenderisch, traurig, auf der Suche nach Liebe, die sie nicht bekommen hat. In dem Buch will sie ständig entweder sich selbst, oder aber jemand anderen umbringen. Teils für Nichtigkeiten, beispielsweise, weil ihre Freundin ungeschminkt ist. Joan hält alle Männer für Vergewaltiger. Sie und Alice sind allerdings auch der Meinung, es wäre eine Vergewaltigung, wenn Männer einer Frau geil auf ihre Figer schauen. Das ist eine der Merkwürdigkeiten des Buchs: Jeder Blick wird als eine Vergewaltigung bezeichnet, während jede tatsächliche Vergewaltigung (und sie kommen vor!) beinahe harmlos beschrieben wird. Diese enorme Schieflage hinterlässt ein ganz ungutes Gefühl. Joan lässt sich am liebsten auf verheiratete Männer ein und lässt sich von ihnen in jeder Hinsicht missbrauchen. Statt dann aber die Männer zu hassen, hasst sie viel lieber all die Frauen in ihrem Leben, inklusive sich selbst. Doch sie will diesen Kreislauf durchbrechen, und man glaubt es ihr sehr ehrlich.

In diesem Buch dreht sich alles um Frauen, Männer und ihre Beziehung zueinander. Es kommt dabei kein einziges männliches oder weibliches Exemplar in dem Buch vor, das das eigene Geschlecht mit Ruhm bekleckern würde. Jeder einzelne Charakter ist auf seine eigene Weise widerlich und abstoßend, jeder verletzt jeden. Dennoch ist das Buch insgesamt hervorragend geschrieben. Die Charaktere sind lebendig und greifbar, so schrecklich es auch ist. Joan ist ein sehr schlimmer, absolut kaputter Charakter ist, den man aber dennoch tröstend in den Arm nehmen will. Kommt man in den Lesefluss einmal rein, fliegt man über die Seiten, da die Geschichte sehr spannend und einnehmend erzählt wird.

Animal ist nichts für schwache Nerven und nichts für Menschen, die getriggert werden können. Wer in der Lage ist, die Handlung auch kritisch auf Abstand zu betrachten und sich nicht mit Haut und Haaren in Joans völlig verstörende Weltsicht reinsaugen lässt, wird das Werk eindrucksvoll finden.