Rezension

Unsagbar traurig und unsagbar schön

Hard Land -

Hard Land
von Benedict Wells

Coming-of-age - Erwachsenwerden - Mittlerer Westen USA - Jugendliche in einer Kleinstadt - Tod und Verlust - neue Freunde - erste Liebe - Tod - Familiengeschichte - Erwachsenwerden in Missouri - die 80er Jahre in den USA - Weiterleben nach Verlust - Kino in den 80ern

          "In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb". Mit diesem ersten Satz in seinem neuen Roman "Hard Land" steckt Benedict Wells den Rahmen für die Handlung. Das Buch erzählt genau das, was in dem ersten Satz steht. Und noch vieles mehr. Und alles in einer sehr einfühlsamen, schönen Sprache, die ganz nah am Protagonisten ist. Der Erzähler ist Sam, fast 16 Jahre alt. Er wohnt im (fiktiven) Grady, einer Kleinstadt in Missouri in den 80er Jahren. Die Stadt ist im Niedergang, die Textilfabrik hat zugemacht, viele sind weggezogen und auch der Vater von Sam wurde arbeitslos. Aber das ist nicht das einzige Problem der Familie. Die Mutter ist nämlich unheilbar an Krebs erkrankt und es geht ihr zunehmend schlechter, der Krebs kommt immer wieder zurück. Schon seit Jahren liegt dieses Unheil auf der Familie - und Sam kann es manchmal kaum ertragen. Auf der anderen Seite hat er auch noch andere Probleme. Typische Probleme eines Heranwachsenden eben. Er ist zu klein, hat noch keinen Bartwuchs. Und - das Schlimmste - er ist ein Außenseiter und hat keine Freunde, seitdem sein einziger Freund weggezogen ist. Das Ganze ändert sich, als Sam einen Ferienjob im einzigen Kino der Stadt annimmt. Zunächst, um der Situation Zuhause zu entfliehen. Aber dann findet er nach und nach immer mehr Anschluss an die Clique, die auch im Kino jobbt. Da ist Kristie, die hübsche Tochter des Kinobesitzers (in die sich Sam natürlich verliebt), da ist Cameron,  der schwule Filmliebhaber und Brand, der großgewachsene schwarze Baseballstar der Schule. Alle sind älter als Sam, sie werden nach den Ferien aufs College gehen, das Kino wird schließen - die vier haben also eigentlich nur diesen Sommer. Aber den werden sie ausnutzen. Mit kleinen Mutproben, Partys und Sommerabenden am See oder im Kino - was man eben so machen kann im Mittleren Westen - mitten auf dem platten Land. Es ist nicht viel - aber für Sam ist es ein ganz besonderer Sommer. 
Es war schön zu lesen, wie dieser Sommer vorbeiging, die Erinnerungen an die 80er (damals war ich jung) kamen wieder und die Musik und und und... aber immer hing das drohende Unheil über der Geschichte. Die Mutter wird sterben. Und das hat mir als Leserin fast das Herz gebrochen und mich persönlich lange daran gehindert, überhaupt weiter zu lesen. Die Mutter wird - wie alle Personen im Buch - sehr gut beschrieben. Sie ist so eine herzensgute, lebendige, intelligente Frau. Es war kaum auszuhalten. Und zu seinem Vater hat Sam kaum einen Draht - wie soll das alles enden? 
Irgendwann musste ich dann doch weiterlesen. Und wurde angenehm überrascht. Natürlich stirbt die Mutter - aber die Geschichte endet nicht damit. Und sie endet auch nicht mit dem Ende des Sommers. Auch der folgende Winter wird erzählt und es wird sehr realistisch und hoffnungsfroh geschildert, wie Sam und seine Familie versuchen, mit dem Verlust zu leben. Das alles wirkt sehr warmherzig, sehr realistisch und überhaupt ist es so nah an den Personen beschrieben, dass ich wieder ganz wehmütig wurde.....und das Ende ... einfach gut gelöst... da geht es nämlich wieder um das (fiktive) Gedicht "Hard Land" des (fiktiven) einzigen Dichters aus der Stadt....

Benedict Wells ist wieder ein Buch über Verlust und Trauer gelungen, das einzigartig ist und einen Wechsel aus Trauer und Schönheit für den Leser bereithält. Es gibt sogar eine Wortschöpfung dafür: Euphancholie - eine Mischung aus Euphorie und Melancholie. Passt.