Rezension

Unglaublich starkes Debüt!

Der Verdacht
von Ashley Audrain

Bewertet mit 5 Sternen

Das erste Wort, das mir zu "Der Verdacht" von Ashley Audrain einfällt ist tatsächlich: krass! Das beschreibt kurz und knapp das Gefühl, das dieser Roman bei mir ausgelöst hat. Ich bin wirklich beeindruckt von diesem Debüt und das vor allem aus zwei Gründen: 1) dem schonungslos ehrlichen und ungeschönten Blick auf Mutterschaft, den Ashley Audrain zeichnet und 2) der dichten Atmosphäre der Anspannung und Angst, die der Roman transportiert.

Die Protagonistin Blythe hat Schwierigkeiten sich selbst in der Mutterrolle zu sehen und macht dies vor allem an ihrer Vergangenheit fest. Bereits ihre eigene Mutter und ihre Großmutter konnten diese Rolle nicht so ausfüllen, wie es allgemein gesellschaftlich erwartet wird. Ihre Geschichte erleben wir in Rückblenden. Den verheerenden Effekt der dadurch fest verankerten Glaubenssätze erfährt Blythe. In kurzen Kapiteln, in denen sie sich als Erzählerin direkt an ihren Ehemann wendet, berichtet Blythe ungeschönt von ihren Schwierigkeiten als Mutter anzukommen, von negativen,  schockierden Gedanken,  die nicht in das Bild der perfekten Mutter auf der rosa Wolke passen. Diese auszusprechen, wirkt auch in der heutigen Zeit oft noch wie ein Tabubruch, da von Selbstaufopferung und bedingungslose Liebe von Müttern erwartet wird. Schnell wird klar, dass Blythe Hilfe und Verständnis benötigt, doch als Leser*in kann man nur hilflos dabei zusehen, wie die Geschichte ihren Lauf nimmt. Rollenklischees, postnatale Depressionen,  Aggressionen,  Vereinsamung,  die Beziehung von Ehepartnern, Fremdbestimmung, gesellschaftliche Werte und Glaubensätze - all diese Themen sind in Blythes Erinnerungen verpackt und regen zum Nachdenken an.

Eng verknüpft mit dem Thema "Mutter sein" ist die Geschichte rund um Blythes Tochter Violet, die aus dem Roman einen Thriller macht, der den Atem stocken lässt. Schon früh hat Blythe das Gefühl, dass mit Violet etwas nicht stimmt und empfindet sogar Angst vor ihrer Tochter. Ihr Ehemann kann dieses Gefühl absolut nicht nachvollziehen. Doch umso älter Violet wird, umso mehr häufen sich seltsame Vorfälle. Stimmt etwas nicht mit Violet oder interpretiert die angeschlagene Blythe alles fehl? Ashley Audrain schafft es das ständige Gefühl der Anspannung unter der Blythe steht,  auch auf die Leser*innen zu übertragen. Gänsehaut, Zweifel,  Rätsel, Angst, kalte Schauer- hier habe ich alles miterlebt und mir häufig gewünscht ich könnte in die Geschichte eingreifen. Aber das Schicksal nimmt unbarmherzig seinen Lauf. Fazit: Ein überraschendes Lesehighlight für mich, das mich nicht so schnell loslässt und eine klare Empfehlung!