Rezension

Überzeugener Science-Fiction-Auftakt

Godspeed, Die Reise beginnt - Beth Revis

Godspeed, Die Reise beginnt
von Beth Revis

Bewertet mit 4 Sternen

‟Godspeed – Die Reise beginnt“, der erste Band einer Trilogie von Beth Revis, ist eine Dystopie mit sehr ausgeprägten Merkmalen der Science Fiction und mit einer Altersempfehlung von ab 14 Jahren ein Jugendbuch, das sich auch gut über dieses Alter hinaus lesen lässt und damit All-Age-Eignung besitzt. Ganz makellos ist es dabei allerdings nicht.

Kurz zum Inhalt: Die Godspeed ist ein Raumschiff, das auf der Suche nach einem neuen Lebensraum für die Menschen zu einer 300 Jahre andauernden Reise aufbricht. Das Ziel ist ein fremder Planet, der von einigen Experten bewohnbar gemacht werden soll. Um ihr Wissen sicher zu diesem Planeten zu bringen, wurden sie vor Beginn der Reise tiefgefroren und sollen schlafen, bis das Schiff den neuen Heimatplaneten erreicht hat. Unter ihnen ist die 17-jährige Amy, die viel zu früh aus ihrem Schlaf geweckt wird und an Bord der Godspeed eine ihr völlig fremde Gesellschaft vorfindet.
Die Menschen, die seit Generationen an Bord des Schiffes leben und es in Stand halten, gehorchen einem Ältesten und dem Junior, der zu seinem Nachfolger ausgebildet wird. Während der Älteste Amy als Gefahr für den Frieden auf seinem Schiff ansieht, freut Junior sich, über ihre Anwesenheit. Er unterstützt sie bei der Suche nach dem Saboteur an Bord, der weitere Eingefrorene auftaut und dadurch tötet. Amy macht sich Sorgen, denn auch ihre Eltern schlafen im Bauch des Schiffes, in dem vieles nicht so ist, wie es scheint...

‟Godspeed“ wird aus der Perspektive der beiden Ich-Erzähler Amy und Junior erzählt, die in völlig verschiedenen Welten aufgewachsen sind. Während Amy noch auf der Erde eingefroren wurde und nichts von dem System an Bord des Schiffes und von dem merkwürdigen Verhalten seiner Bewohner versteht, ist Junior in dieser Gesellschaft mit dem Wissen aufgewachsen, sie irgendwann einmal als neuer Ältester anzuführen. Das gesellschaftliche System, das sich auf der Godspeed etabliert hat, wirkt insgesamt nicht nur sehr faszinierend und vereint einige schockierende Elemente, die zusammen eine gelungene Dystopie ergeben, sondern ist auch im Detail betrachtet sehr durchdacht und stimmig. Für mich ist die entworfene Gesellschaft eine der größten Stärken des Romans. Durch den Ältesten und die befremdlichen Regeln sowie durch die unwirkliche Vorstellung, sein gesamtes Leben in einem Raumschiff mitten im All eingesperrt zu sein, wird eine bedrohliche, düstere Atmosphäre erzeugt, die absolut lesenswert ist.

Leider hat der Roman aber auch Schwächen. So ist zum Beispiel das große Rätsel um den Saboteur an Bord, der die Kühlkammern der Eingefrorenen öffnet, für den Leser schon sehr schnell kein Rätsel mehr. Eigentlich ist die Identität dieser Person schon vorherzusehen, noch bevor er durch die ersten geöffneten Kammern überhaupt wirklich in Erscheinung trat. Nur den Romanfiguren selbst kommt diese Idee nicht und so gestaltet sich dieser Handlungsstrang – zu Beginn der vermeintlich wichtigste – eher wenig spannend.

Zum Glück hat die Autorin aber einige Überraschungen in der Hinterhand, welche die gesamte Handlung auch noch bei fortgeschrittener Seitenzahl eine ganz neue, unerwartete Richtung einschlagen lassen und viel Stoff für weitere Handlungsstränge in diesem ersten Band sowie für die Folgebände liefern. Die einsetzende Ernüchterung beim Leser aufgrund der Vorhersehbarkeit, was die Identität des Saboteurs angeht, ist durch die mehr als spannenden, teilweise sehr erschreckenden Wendungen wie weg geblasen und es wird sehr spannend. Besonders das Ende konnte hier punkten, denn, als die Spannungskurve eigentlich schon abgefallen war und man sich innerlich bereits auf einen gütlichen Ausklang vorbereitet hatte, spielte die Autorin ihren größten und mit Abstand überraschendsten Trumpf aus, mit dem sie sicher jeden Leser noch einmal wach rütteln würde.

Die Charaktere wirken sehr ausgereift. Speziell Amy und Junior, die auch in ihrer Beziehung zu einander ein interessantes Protagonistenpärchen abgegeben, überzeugen mit Tiefe und Zugänglichkeit für den Leser. Man versteht sie und fühlt mit ihnen. Natürlich gibt es auch in ‟Godspeed“ die für Jugendbücher obligatorische Liebesgeschichte, allerdings ist diese sehr zart und lässt zum Glück jeden, fast ebenso obligatorischen Kitsch vermissen.
Die Nebencharaktere punkten vor allem durch ihre Andersartigkeit, die dem Leser immer wieder zu denken gibt. Das Verhalten der Menschen, die seit Generationen an Bord dieses Schiffes leben und sich den so weltfremd erscheinenden Regeln des Ältesten beugen, will erst noch entschlüsselt werden.

Sprachlich hätte ich mir dabei allerdings manchmal etwas mehr erhofft. Sicher ist ‟Godspeed“ ein Jugendroman und dementsprechend erwarte ich mir keine stilistischen Glanzleistungen. Dennoch war es selbst für ein Jugendbuch teilweise holprig und der sprachliche Anspruch etwas zu gering. Auch wenn es durchaus flüssig lesbar war, erschwerte mir gerade die Sprache den Einstieg in den Roman. Der letzte Feinschliff hat mir hier noch gefehlt, auch wenn bestimmte Abschnitte, wie etwa Amys Gedanken und ihre Träume während der Zeit, in der sie eingefroren ist, sehr eindringlich beschrieben sind und überzeugen konnten.

Fazit: Ein gelungener Trilogie-Auftakt, der sich durch den starken Science-Fiction-Einfluss von der Flut anderer Dystopien abheben und mit einer starken Grundidee überzeugen kann. Durch eine sehr durchdachte Geschichte und einige packende Wendungen kann man als Leser auch die Vorhersehbarkeit der Haupthandlung verzeihen und wird gut unterhalten. Ich freue mich auf den zweiten Band. Band Eins bekommt 4 Sterne.