Rezension

Überraschung

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
von Alena Schröder

Bewertet mit 4.5 Sternen

Dieses Buch ist eine echte Überraschung. Vielleicht nicht unbedingt hohe Literatur, aber doch sehr intensiv und kurzweilig zu lesen.

Die Farbgestaltung des Covers hat mich vom ersten Blick für sich eingenommen. Die Farben leuchteten mir in die Augen. Und als der Klappentext dann auch noch verriet, dass es im Buch um ein verschwundenes Bild des holländischen Malers Johannes Vermeer geht, war meine Neugierde so groß, dass ich es unbedingt lesen musste. Und: ich habe es nicht bereut! Ganz im Gegenteil: Ich war angenehm überrascht.

Doch von vorn. Hier geht es um vier Frauengenerationen und ihre Töchter. Um deren Träume und Niederlagen - zwischen 1920 und heute. Es wird eine bewegte Zeit lebendig; eine Zeit, die den Lebensträumen nicht nur ein Bein stellte und sich bis in die Gegenwart zieht.

Da ist die harsche Evelyn, die heute im Seniorenheim lebt und nur noch von ihrer Enkelin Hannah besucht wird. Die muss aber verbergen, dass sie mit ihrer Doktorarbeit nicht so recht voran kommt. Die Suche nach verschollenen Bildern bietet da eine gelungene Abwechslung um die Geschichte der Vorfahren kennenzulernen.

 

Alena Schröders Charakterzeichnungen sind gelungen und vielfältig. Keiner ist nur gut oder nur schlecht. Gleichzeitig werden Besonderheiten der Geschichte deutlich: Die Lebenslust und Aufbruchstimmung der Zwanziger Jahre in Berlin, die dann allmählich umschlägt und zum Judenhass führt. Das Leben und die Wichtigkeiten auf dem Land im Gegensatz zur Stadt. Das Zaudern der jungen Generation heute, die noch gar nicht weiß, was sie will und die Zielstrebigkeit der früheren Generation, die auch mal über Leichen ging. Deutlich wird auch die Lebenssattheit derjenigen, die kaum noch Zukunft vor sich haben.

Sehr gekonnt empfand ich die Einführung der einzelnen Protagonisten. Die Gegebenheiten und Probleme der jeweiligen Zeit wurden sehr deutlich. Der flüssig zu lesende Generationenroman mit vielen interessanten Sachthemen enthält in wechselnden Zeitebenen auch realistische Konflikte zwischen den Geschlechtern. Die geschilderten Mutter-Tochter-Beziehungen sind so richtig aus dem Leben gegriffen.

 

Fazit: Ein wirklich lohnendes Leseerlebnis. Berührend und unterhaltsam, mit eindrücklichen, nachdenklich machenden Szenen und frischen Ideen.