Rezension

Über Menschen

Über Menschen
von Juli Zeh

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung und Inhalt

"Er wollte Gefolgschaft. Er wollte ihr Sträuben bezwingen. Er wollte, dass sie einen Treueschwur auf die Apokalypse leistete, und wurde immer wütender auf ihren heimlichen Trotz." (ZITAT)

 

Nachdem ich bereits ihre Bücher - u.a. „Spieltrieb“, „Schilf“, „Nullzeit“ und „Unterleuten“ gelesen und verschlungen hatte, stand für mich fest, dass ich auch ihr neustes Werk lesen möchte. Der Schreibstil von Zeh ist besonders und fesselnd und ihre Geschichten sehr einzigartig und mit einer enormen Aussagekraft, teils sehr gesellschaftskritisch, die zum Nachdenken anregt. 

Die Protagonistin Dora, welche mir relativ schnell ans Herz gewachsen ist ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Gefühle, Wünsche und Ängste beschreibt Juli Zeh sehr nachvollziehbar und authentisch.

Dora brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. 

In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. 

Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? 

Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. 

Ein absolut packendes wunderschönes und ergreifendes Buch, das meine klare Leseempfehlung erhält. "Über Menschen" ist eine, gerade auch in der aktuellen Corona-Zeit, wo sich so vieles ändert, klärt und beschleunigt, samt Abstürzen und Einsamkeiten, hervorragende Lektüre. Dazu noch die Fremdheit zwischen Provinz und Großstadt - die sicherlich viele nachempfinden können-  klug, aber auch komisch und ausgesprochen flüssig zu lesen. Zeh beschreibt hier eine Gemeinschaft, die sich wahrscheinlich jeder Mensch wünscht. Eine Welt, in der alle sehr verschieden sind, aber in Frieden und Toleranz miteinander leben. Eine Welt, in der jeder dazugehört. Eine Welt, in der jeder jedem hilft, egal welche Ansichten er vertritt. Es gibt sogar eine Moral, als Dora schließlich merkt: 

"Es geht nicht darum, wer was verdient hat. Nicht einmal darum, für oder gegen Nazis zu sein. Das Zauberwort heißt 'trotzdem'. Trotzdem weitermachen, trotzdem da sein. Trotz allem liegt da drüben ein Mensch."

Der Titel ist somit ziemlich passend gewählt. Das Cover gefällt mir ebenfalls sehr gut!

“Weil du alles einfach haben willst, ist die Welt immer falsch für dich. Deshalb bist du auch so unruhig.” (ZITAT)

 

Juli Zeh (Jahrgang 1974) studierte Juristin und Völkerrechtlerin fesselt ihre Leser immer wieder mit zeitkritischen Romanen, in denen markante Figuren einzigartige Geschichten erleben. Ihr erster Roman „Adler und Engel“ (2001) bewegt sich zwischen rasanter Roadstory, brutalem Drogenthriller und einfühlsamer Initationsgeschichte. Er begeisterte bereits ein Millionenpublikum und wurde in 31 Sprachen übersetzt. Die schlichte, nüchterne Sprache Zehs und ihr gesellschaftskritischer Sarkasmus kommen auch in den folgenden Romanen „Spieltrieb“, „Schilf“, „Nullzeit“ und „Unterleuten“ zum Einsatz, die allesamt zu Bestsellern wurden. Juli Zeh, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Brandenburg lebt, wurde mit unzähligen Literaturpreisen ausgezeichnet und konnte sich auch als Essayistin und Journalistin einen Namen machen.