Rezension

Super spannender Thriller und ein echter Pageturner

Das Haus der Mädchen - Andreas Winkelmann

Das Haus der Mädchen
von Andreas Winkelmann

Bewertet mit 5 Sternen

Leni Fontane will in Hamburg ein Praktikum absolvieren und mietet sich aus Geldknappheit bei einem online-Anbieter ein WG-Zimmer. Das Zimmer ist überraschend geräumig und schnell freundet sich die zurückhaltende, schüchterne Leni mit der quirligen Vivien, ihrer Zimmernachbarin, an. Dann jedoch verschwindet Vivien spurlos, ohne Abschiedsgruß, ihr Zimmer wird weitervermietet. Leni wird misstrauisch: Hätte sich Vivien wirklich so einfach aus dem Staub gemacht? Sie erinnert sich an Viviens Äußerungen, stellt Beobachtungen an und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was geschehen sein könnte. 
Unabhängig von ihr versucht sich der Obdachlose Frederic „Freddie“ Förster zu schützen, denn er hat einen Mord beobachtet! Der Mörder ist hinter ihm her, und als er schließlich beschließt, dass Angriff die beste Verteidigung ist, ist er schon ganz tief in ein Geschehen verwickelt, das nur vordergründig nichts mit den anderen Ereignissen zu tun hat… 

WOW! Ein grandioser, super spannender Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen kann! Die verschiedenen Handlungsstränge verknüpfen sich aufs Trefflichste zu einem großen Ganzen, und die unterschiedlichen Perspektiven – aus Täter- und Opfersicht, aus Ermittlersicht und auch aus der Lenis und Freddies – tragen erheblich zur Spannung bei. Diese Spannung wird anfangs noch langsam, aber stetig aufgebaut, die einzelnen Kapitel sind wiederum unterteilt in verschiedene Unterkapitel, die oftmals gar nicht so lange sind. Anfangs muss man sich an diese schnellen Wechsel gewöhnen und man meint, was hat das denn jetzt damit zu tun, aber 1. sind sie für sich als einzelner Strang auch schon spannend und 2. erkennt man nach und nach die Zusammenhänge, was den Spannungsboden zusätzlich in die Höhe treibt. Da nimmt das Ganze dann zusätzlich Fahrt auf und ebbt bis zum fulminanten Finale auch nicht mehr ab. 

Die Charaktere sind einfach großartig, und mehr als einer hat mich positiv überrascht. Sie sind keineswegs schwarz-weiß, ein jeder ist ein Mensch mit Schwächen und mit Altlasten. Besonders Leni, das wirklich fast schon unglaublich naive junge Ding vom Lande, macht eine starke Entwicklung durch. Von der schüchternen grauen Maus wird sie mit jeder bedrohlichen Situation mutiger und will mit allen Mitteln Vivien finden und helfen. Sie verteidigt ihre Interessen und muss dann auch nicht mehr everybody´s Darling sein. Auch der Ermittler Jens Kerner hat mich sehr positiv überrascht. Aus dem behäbigen Polizisten wird ein Bullterrier, der sich mit Instinkt, Menschenkenntnis und Hartnäckigkeit in den Fall verbeißt und mit unorthodoxen nicht immer legalen Mittel alles dransetzt, den Fall zu lösen und der auch als erster Zusammenhänge erkennt. Man darf ihn nicht unterschätzen, auch wenn er manchmal ein wenig träge daherkommt. Der Autor verzichtet – zumindest größtenteils – auf die ganz blutigen Szenen, dennoch ist einiges Thriller-mäßig schockierend und gruselig, und seine Beschreibungen sind bildhaft und einprägsam und lassen der Fantasie dennoch ihren Platz. Einziges kleines Manko: Das Lektorat hätte besser sein können. Dass man das Anredepronomen Ihr/Sie großschreibt, wird nahezu immer ignoriert, und auch sonst gibt es einige Rechtschreibefehler, die meines Erachtens mangelnder Sorgfalt geschuldet sind, z.B. „mir“ statt „mit oder groß geschriebene Adjektive. Das tut jedoch dem grandiosen Erzählstil und dem Inhalt keinen Abbruch und wird nur erwähnt, weil es ein bisschen zu häufig vorkommt. 

Fazit: Ein sehr fesselndes Buch, das alles hat, was ein guter Thriller braucht! Vielschichtige Charaktere, eingängige Beschreibungen von Menschen und Situationen, äußerst verzwickte Fälle und einfach sehr intelligent gemacht, wie sich alles zusammenfügt. Für Thrillerfans ein Muss!