Rezension

Stimmungsvolle, bedrückende und interessante Reise nach Kamtschatka

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 4 Sternen

Mit einem Entführungsfall zweier junger Schwestern beginnt diese Reise nach Kamtschatka im fernen Russland. Hautnah bin ich als Leser dabei und kann nichts anderes tun als zuzusehen, wie diese Mädchen hilfsbereit und gutgläubig in ein fremdes Auto steigen...

Dann folgen diverse Szenenwechsel und ich erfahre von der Autorin einiges über das Leben in diesem fernen Landstrich, alles immer aus der Sicht einer anderen Frau. Lose hängen alle diese Episoden mit den vermissten Mädchen zusammen. Später wird immer deutlicher, dass auch die einzelnen Frauen untereinander in Verbindung zueinander stehen - über ihre Kollegen, Freunde, Familie, gleiche Schicksale... es gibt verschiedene Berührungspunkte. Dieser Kniff ist der Autorin wirklich gut gelungen und das jeweilige AHA-Erlebnis hat mir Freude bereitet. Manches Mal muss ich zwar grübeln und zurückblättern und mich erinnern, aber das macht nichts. Hier helfen unter anderem auch ein Personenverzeichnis zu Beginn sowie eine Landkarte mit den wichtigsten Orten von Kamtschatka. 

Was all diesen Schicksalsepisoden jedoch anhaftet, ist eine sehr bedrückende Grundstimmung. Anfangs war es noch angenehm zu lesen, melancholisch, hübsch und berührend. Später haben mich die sehr intensiven kurzen Einblicke in das ein oder andere Schicksal doch regelrecht platt gemacht. Dies zeigt aber auch, wie nah die Autorin den Charakteren ist und wie gut sie es versteht, in kurzen Eindrücken sehr intensive Charakterbilder zu schaffen.

Insgesamt ist positiv in Erinnerung: ein Leseerlebnis, das viel über das nicht einfache Leben auf Kamtschatka vermittelt, über die dortige Stellung der Frau, über die Stellung der indigenen Völker. Dabei legt die Autorin aber den Finger immer wieder in dieselbe Wunde und dies erschöpft mit der Zeit ein wenig.

Fazit: Ein Gesellschaftsporträt über das Leben im fernen Russland mit besonderem Blick auf die Rolle von Frauen und indigenen Gruppierungen. Die Entführung der Schwestern bilden hier den Rahmen, der alles zusammenhält und gleichzeitig für ein wenig Spannung sorgt. Ansonsten ein eher leise erzählter Episodenroman (und keinesfalls ein Thriller!), der bedrückt, aber auch sehr berührt. Hat mir gefallen.