Rezension

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Stark angefangen und leider ebenso stark nachgelassen

Like Gravity -

Like Gravity
von Julie Johnson

Bewertet mit 3 Sternen

Wie neugierig war ich auf diesen im Juli 2021 bei LYX erschienenen Roman von Julie Johnson gewesen! Seit der Verlagsvorschau hatte das Werk auf meiner Wunschliste gestanden und nach der Leseprobe, die mich sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf Emotionalität und Schreibstil komplett abgeholt hatte, war ich überzeugt davon, dass dieses Buch eines meiner Jahreshighlights werden würde. Leider lag ich mit dieser Einschätzung komplett falsch. Warum ich von der Geschichte eher enttäuscht als begeistert war, werde ich gleich erläutern – vorab aber der Hinweis: hierbei kann es zu ein, zwei SPOILERN kommen. Für die spoilerfreie Kurzversion verweise ich auf mein Fazit am Ende der Rezension.

Zunächst möchte ich mit einem kleinen Lobgesang das wunderschöne Cover feiern. Vom LYX-Verlag bin ich diesbezüglich bereits enorm verwöhnt und dennoch ist diese Covergestaltung in meinen Augen eine der gelungensten, die ich je gesehen habe. Die hübsche Farbkombination, die glitzernden Elemente, der elegante, geschwungene Schriftzug – all das lässt das Cover enorm hochwertig und edel wirken.

Einst musste Brooke als kleines Mädchen den Mord an ihrer Mutter miterleben – ein traumatisches Erlebnis, das ihr auch als junge Collegestudentin noch Albträume beschert und das sie nie wirklich aufarbeiten konnte, weshalb sie (bis auf ihre beste Freundin Lexi) andere Menschen gekonnt auf Abstand hält. Was romantische Beziehungen angeht: daran glaubt die toughe und oftmals zynisch wirkende Brooklyn nicht; ihr reichen gelegentliche, unverbindliche One-Night-Stands. Ihr vermeintlich gut organisiertes Leben gerät allerdings ziemlich durcheinander, als sie dem lokalen Frauenschwarm Finn vor die Füße stolpert und dieser fortan zunehmend ihre Nähe zu suchen scheint. Und dann sind da auch noch eine Vielzahl unheimlicher Ereignisse, die darauf hindeuten, dass ein Stalker es auf Brooke abgesehen hat…

Während des Einstiegs in die Handlung erleben wir eine Rückblende zu jenem tragischen Ereignis, das Brooklyns Leben nachhaltig prägen wird. Die Beschreibung der Ermordung ihrer Mutter habe ich aufgrund der kindlichen Perspektive als besonders intensiv empfunden. Diese Intensität, das Gefühl, mittendrin in der Handlung zu sein, erlebte ich im Laufe des Romans anschließend nur noch zweimal. Ironischerweise waren es stets actionreiche, von Gewalt und angstvollen Emotionen geprägte Szenen, welche die Autorin meiner Meinung nach am besten umsetzen konnte. Allen anderen Elementen, vorrangig hinsichtlich der Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen, fehlte diese Tiefgründigkeit.

Zu Beginn waren mir sowohl die verschlossene Brooklyn als auch die extrovertierte Lexi sympathisch, aber bald zeigten sich bei beiden Mädchen Verhaltensweisen, die ich nicht gutheißen konnte. Insbesondere von Lexi war ich sehr enttäuscht – nachdem Brooke sich eine Verletzung zugezogen hat, hat ihre beste Freundin nichts Besseres zu tun, als sie – trotz der Einnahme von Schmerztabletten – zu einem alkoholgeschwängerten Club-Abend zu überreden und sie stehenzulassen, kaum das der erstbeste Typ Interesse an ihr zeigt. Ihre anschließende Erklärung, nicht nur für diesen Abend, sondern generell für ihren häufig gleichgültigen Umgang mit Brooke – nach dem Motto: 'ansonsten hätte ihre Freundschaft erst gar keine Chance gehabt' – überzeugte mich nicht.
Brooke selbst wird einerseits als übervorsichtig und als eine auf ihr Umfeld bedachte Person dargestellt und stört sich andererseits keineswegs an sämtlichen Sicherheitslücken in ihrem Leben, sei es ihre Wohnsituation oder unheimliche Anrufe und Verfolgungsmomente. Wie ignorant kann man sein, fragte ich mich nur – vor allem, da ein simpler Anruf, zu dem sie sich wohl nicht aufraffen konnte, sämtliche Zweifel aus der Welt geräumt hätte. Im Umgang mit Finn verhält sie sich ebenso widersprüchlich – macht ein großes Drama daraus, ihm aus dem Weg zu gehen, kaum dass sie feststellt, dass er nicht ausschließlich arrogant ist, und ist dann verletzt bzw. beleidigt, wenn er es ihr gleichtut, etc. - Kindergarten. Als sie sich dann in einer bestimmten Szene auch anderen Frauen, die ihr nichts getan haben, grundlos gehässig gegenüber verhält, war für mich sympathiemäßig der Ofen aus. Sowohl sie als auch Lexi sind ziemlich klischeehaft gezeichnet worden – zwei Starbucks-Liebhaberinnen, die sich gegenseitig "Kleine" und "Süße" nennen.

Über die anschließende Triggerwarnung musste ich trotz der durchaus ernsten Thematik beinahe schmunzeln – so wird erwähnt, dass man u.A. "übergriffiges […] Verhalten gegen Frauen" zu erwarten habe. – Dass auch eine der Hauptfiguren sich so verhält, darüber aufgrund seines guten Aussehens und allgemeinen Hottie-Status komplett hinweggesehen wird, scheint hingegen völlig okay zu sein. Ob Schönling oder nicht, solch ein Verhalten finde ich in jeder Situation fragwürdig und grenzwertig.

Was den Schreibstil betrifft, schwanke ich. Gewisse Situationen wurden herrlich ausdrucksstark hervorgehoben, aber die Nähe zu den Figuren und die allgemeine Glaubwürdigkeit gingen im Laufe der Handlung für mich komplett verloren. Außerdem erschienen mir manche Formulierungen und Dialoge absolut unrealistisch, Stichwort: Lumpenpuppe, Sittenstrolch und smaragdgrüne Augen.

Leider waren die Hinweise auf den restlichen Story-Verlauf bereits im ersten Drittel dermaßen deutlich und unübersehbar eingestreut, dass der Rest der Geschichte komplett vorhersehbar war – und zwar auf einem Level, bei dem ich mir dachte: Das kann unmöglich ihr Ernst sein, da MUSS noch ein Twist kommen. Besagte Überraschung trat allerdings nicht ein und so ließ mich die Lektüre ob der gänzlich lieblosen, fantasielosen Auflösung komplett ernüchtert zurück.

Fazit: Unheimlich starker Start einer Geschichte, die aufgrund der kreativen Story-Idee so viel Potential gehabt hätte, deren Umsetzung jedoch maximal mittelmäßig war. Leider plätscherte der Großteil der Handlung schon bald nach dem Einstieg nur noch vor sich hin; insgesamt sorgten lediglich 3 Actionszenen zwischenzeitlich kurz für Spannung. Die Charaktere, die mir anfangs sympathisch waren, wirkten aufgrund ihres nicht nachvollziehbaren Verhaltens und der zum Teil hölzernen, unauthentischen Dialoge zunehmend befremdlich auf mich, sodass ich kaum mehr mit ihnen mitfiebern konnte. Der größte Störfaktor für mich war die komplette Vorhersehbarkeit sämtlicher bedeutender Entwicklungen – das fand ich enorm unkreativ und langweilig gelöst. Dies war eine der wenigen Ausnahmen, bei denen ein LYX-Roman mich echt enttäuscht hat. Meine 2 ½, auf 3 aufgerundeten Sterne vergebe ich für das traumhaft schöne Cover, die Grundidee und die gut umgesetzten Actionszenen.