Rezension

Sprachlosigkeit

Der Brand -

Der Brand
von Daniela Krien

Laut Klappentext erwartet der Leser von Daniela Kriens neuem Buch 'Der Brand' einen schwelenden Ehe-Konflikt, der in einem spontanen Urlaub ausgefochten wird. Doch Rahels und Peters Probleme miteinander sind nur ein Aspekt der Handlung. 

Obwohl die Anzahl der Personen im Roman überschaubar bleibt, sind es vielfältige zwischenmenschliche Spannungen, die zu Tage treten, als das Ehepaar für drei Wochen zu den spontanen Hütern eines Landhauses wird. Dieses gehört Ruth, der Freundin von Rahels Mutter und ihrem Mann Viktor, der einen Schlaganfall hatte. Als Rahel sich bereit erklärt, während Viktors Reha-Maßnahme zusammen mit Peter Haus, Hof und Tiere von Ruth und ihrem Mann zu umsorgen, wird den beiden eine Zäsur angeboten, in die sich beide fallen lassen. Ihre Ehe ist nicht mehr glücklich. Peter ist unzufrieden mit Rahels Verhalten, die das jedoch erfolgreich seit Jahren ignoriert. Als sie sich in einer in der Öffentlichkeit ausgetragenen Schlammschlacht nicht hinter ihren Mann stellt, zieht dieser sich komplett vor ihr zurück. 

Die beiden sind zu schlau, um nicht zu wissen, was mit ihnen passiert - er Universitätsprofessor, sie Psychotherapeutin - nur sind sie in ihren Charakteren und Erwartungen so unterschiedlich, dass es ihnen trotzdem schwer fällt, die Diskrepanzen anzusprechen und einige Verletzungen sitzen schlicht zu tief.  Was ist dann die beste Perspektive aus dieser Situation heraus? Das ist eine der Antworten, die Rahel und Peter in Ruths  Haus suchen. Doch da sind noch andere Fragen, die sich aufdrängen. Der spontane Besuch der erwachsenen Kinder des Ehepaares wirft weiteres Konfliktpotential auf. Die Tochter spielt mit dem Gedanken, Mann und Kinder für einen anderen zu verlassen, der Sohn stellt sein Liebesleben hinter Bundeswehr und sportlichen Bewährungen an. Rahel kann genau analysieren, woher die Bindungsprobleme ihrer Tochter kommen und auch sie selbst trägt sich schon lange mit der Frage nach ihrer eigenen Herkunft. 

Wie der Titel meiner Rezension schon andeutet: sollte ich das Thema des Buches mit einem Wort beschreiben, so wäre es 'Sprachlosigkeit'. Rahel und Peter sind nicht in der Lage, die passende Sprache zu finden, um so miteinander zu reden, dass sie einander nicht verletzten. Rahel und ihre Tochter sowieso nicht. Die  hat ebenfalls offensichtliche Kommunikationsprobleme mit ihrem Mann und den verzogenen Kindern würden ein paar mehr Wörter auch nicht schaden. Ihr Bruder ist bereit, unsere Gesellschaft zu schützen, doch den Preis, den er dafür zahlt, ist, dass er ausgeschlossen von eben derselben ist. Rahel merkt, dass sie viele Fragen zu lange nicht gestellt hat und es irgendwann auch dafür zu spät sein kann. Es ist ein allseitiges Problem, dass auch dadurch nicht lösbarer wird, dass sich die Personen aufgrund ihrer Empfindsamkeit und Intelligenz der Situationen sehr wohl bewusst sind. Aber sie wissen eben auch um die möglichen Konsequenzen, haben sich selbst und die anderen längst durch-analysiert und sind des Kämpfens müde. 

So ist denn auch 'Der Brand' nur eine Momentaufnahme, die weder Lösung noch Antwort parat hält. Es beschreibt sehr gut, wie sich viele Menschen heutzutage - vielleicht gerade in dieser lethargischen Corona-Zäsur mit viel Zeit zum Nachdenken - fühlen und ist angenehm und schnell zu lesen. 

Doch ohne wirkliche Story bleibt auch der Bezug zu den Figuren unverbindlich und am Ende der Lektüre zieht man gerne weiter.