Rezension

Spannung mit Tiefgang und Niveau

Diese Frauen -

Diese Frauen
von Ivy Pochoda

Bewertet mit 5 Sternen

Los Angeles jenseits des glamourösen Hollywood, jenseits der grünen Oasen des Wohlstands – zwischen staubigen Autobahnüberführungen und heruntergekommenen Einkaufszentren bewegen sich die Angeleños der arbeitenden Schichten. Hier sind in den letzten fünfzehn Jahren dreizehn Mädchen und Frauen brutal ermordet worden, aber niemanden scheint es zu kümmern, am allerwenigsten die zuständige Polizei. Keiner der Fälle wurde aufgeklärt, denn die Opfer waren ja nur „Diese Frauen“, die letztendlich, so die allgemeine Meinung, ihr Unglück selbst verschuldet haben. Ivy Pochodas vierter Roman dreht sich um Rasse- und Geschlechterstereotype, die den Blick auf die Realität verstellen. Er hinterfragt unsere sozialen Standards, besonders im Hinblick darauf, wer unsere Sympathie und Unterstützung verdient und wer nicht.

Vor allem aber wird uns eine ungemein spannende Story geboten; ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Die Autorin rollt die Geschichte aus fünf verschiedenen, ineinander greifenden Perspektiven auf. Dorian, Mutter eines der ermordeten Teenager, betreibt eine Fischbraterei und ist Anlaufstelle für die leichten Mädchen des Viertels. Ihr Blickwinkel wird mit vier weiteren verflochten: Feelia, die vor 15 Jahren einen Mordversuch überlebte, Julianna, Strip-Tänzerin und Fotografin, Anneke, Hausfrau mit Prinzipien, und deren Tochter Marella, die dabei ist, sich einen Namen als Performancekünstlerin zu machen.

Schlussendlich Detective Essie Perry, von der Mordkommission zur Sitte versetzt und von ihren neuen Kollegen gemobbt. Sie analysiert die Falldaten und erkennt, dass ein Serienmörder am Werke ist – und die Leserin fragt sich: werden alle Protagonistinnen überleben? Perrys unbestechlicher Blick führt letztlich zur Aufklärung des Kriminalfalles, die, und das sagt eine erfahrene Krimileserin, wirklich überraschend und gleichzeitig absolut zwingend war.

Auch sprachlich habe ich den Roman sehr genossen. Wie lebendig ist das Los Angeles, das Pochoda mit kunstvollen Details auf jeder Seite heraufbeschwört – so unmittelbar und unverwechselbar wie eine atmende, fühlende Figur. Aber auch ihre menschlichen Charaktere sind originell und vielschichtig angelegt und sprechen ein authentisches Idiom, das perfekt zu ihrem Hintergrund passt. Flapsig, vulgär, defensiv sachlich oder bürgerlich verklemmt, Pochoda trifft den richtigen Ton. Dadurch ist man ganz nah dran an ihren Figuren und ihrer Lebenssituation, auch wenn diese einem in der Realität sehr fern liegen mag.

„Diese Frauen“ ist spannend, mitreißend, horizonterweiternd – mehr kann Kriminalliteratur nicht leisten. Empfehlung!