Rezension

Spannend, melancholisch, tragisch

Von ganzem Herzen Emily - Tanya Byrne

Von ganzem Herzen Emily
von Tanya Byrne

Bewertet mit 5 Sternen

Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet in der letzten Jahreswoche finde ich noch eines meiner absoluten Jahreshighlights. "Von ganzem Herzen Emily" ist bei mir ein reiner Coverkauf gewesen und ich muss gestehen, dass ich mich nicht einmal sonderlich für die Kurzbeschreibung interessiert habe, bis ich das Buch kurz vor Weihnachten aus meinem Regal gezogen habe und es endlich lesen wollte. Meine Erwartungen waren geradezu erschreckend niedrig und somit habe ich mich vollkommen ahnungslos in die Geschichte gestürzt. Hätte ich doch nur schon eher gewusst, welch spannende und melancholische Geschichte sich dabei verbirgt - ich hätte es sonst schon viel eher gelesen. 

Die Geschichte wird in einer Art Tagebuchform erzählt. Emily, die die Geschichte erzählt, beschreibt ihre Erlebnisse dabei schonungslos und oftmals sehr gefühlskalt. Dadurch bekommt man einen guten Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Tanya Byrne hat mit der gewählten Tagebuchform alles richtig gemacht, denn somit ist man als Leser noch näher am Geschehen und kann sich vieles gut vor Augen führen. Dabei wird die Geschichte besonders intensiv erzählt. So erlebt man als Leser jedes noch so kleine Gefühl mit und somit steckte ich selbst auch manchmal auf der Gefühlsachterbahn, musste lächeln, musste oftmals sogar schlucken und war das ein oder andere Mal geschockt, wie weit ein Mädchen in ihrer Verzweiflung und ihrem Hass doch gehen kann. 

Bei Emily war ich sehr lange im Zwiespalt, denn einerseits wollte ich das Mädchen unbedingt mögen, andererseits war ich von ihrer Kälte oftmals abgeschreckt. Sie ist ein intelligentes Mädchen, das ohne Mutter aufwachsen musste, von ihrem Vater jedoch die beste Bildung erhalten hat. Als sie erfährt, dass ihr Vater einer der schlimmsten Kriminellen der Stadt ist, bricht für sie eine Welt zusammen, da sie von seinen Tätigkeiten nichts wusste. Nachdem ihr Vater von Juliet, der Tochter eines Polizisten niedergestochen wurde, gibt es für Emily nur eine Möglichkeit: Rache! Juliet, die nach ihren gerichtlichen Aussagen in ein Zeugenschutzprogramm musste und nun bei einer Pflegefamilie lebt, hat keine Ahnung von den Racheplänen und versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Emily findet den neuen Aufenthaltsort jedoch heraus und sinnt weiterhin nach Rache. So verändert sie ihr Äußeres, nennt sich fortan Rose und versucht sich mit Juliet anzufreunden, um sie danach Stück für Stück zerstören zu können. Für sie wäre dies eine Leichtigkeit, jedoch macht ihr Sid einen Strich durch die Rechnung, denn ausgerechnet er ist die einzige Person, für die sie nach all der Trauer etwas empfinden kann, allerdings ist dieser bereits mit Juliet zusammen. 

Während ich Emily im Laufe der Geschichte immer mehr verstehen konnte, hatte ich dagegen große Probleme mit Juliet. Natürlich kann sie einem leid tun, wenn sie als Waise in ein Zeugenschutzprogramm eingeführt werden muss, allerdings hatte ich oftmals Probleme mit ihrer Art, denn sie ist unglaublich theatralisch und manchmal eine ganz schöne Dramaqueen. Sowas kann man sicherlich mögen und sowas kann man auch gewiss verstehen, wenn man daran denkt, was auch sie erleiden musste, aber dennoch wurde ich mit ihr leider nicht warm, sodass ich am Ende tatsächlich mehr auf Seiten von Emily stand. Sid ist dagegen ein sympathischer Charakter, über den ich gerne mehr erfahren hätte, besonders zum Ende hin, was mir jedoch verwehrt blieb. Die gleiche Geschichte aus seiner Sicht wäre sicherlich interessant, aber dies wird wohl eher nicht geschehen. 

Die Geschichte wird von Anfang an sehr spannend erzählt und die Charaktere bekommen ihre nötige Zeit, um detailliert beschrieben zu werden. So lernt man Sid, Juliet und Emily sehr gut kennen, aber auch die anderen Mädchen, die zusammen mit Emily auf der psychiatrischen Station eines Gefängnisses leben. Durch Erzählungen mit einer Psychiaterin wird die Geschichte noch intensiver und noch spannender, da man als Leser immer nur kleinere Puzzleteile erhält, bis die Geschichte ein Ganzes ergibt. Dabei kam mir jedoch das Ende ein bisschen zu kurz, da alles viel zu schnell ging. Die Geschichte wird leider nicht komplett aufgelöst, sodass ich auch hinterher noch lange gegrübelt habe, was mit Emily passieren wird. 

Das Cover passt sehr gut zur Geschichte und hat mich direkt angesprochen. Die Blutflecken und der Vogel sind ein gutes Symbol und passen sehr gut zu den Erzählungen aus Emilys Tagebuch. Der Titel sagt mir im Nachhinein nicht mehr so zu, da mir dieser zu allgemein gehalten ist, aber dennoch kann ich mit diesem gut leben. Die Kurzbeschreibung ist dagegen sehr gut und macht Lust auf mehr.

"Von ganzem Herzen Emily" hat wirklich alles, was ich mir bei einem solchen Buch wünsche: Ein spannender Plot, unerwartete Wendungen und interessante Figuren, die man zwar nicht unbedingt ins Herz schließt, aber über die man unbedingt mehr erfahren möchte. Ganz klare Leseempfehlung!