Rezension

Spannend erzählt, historisch interessant

Königsmörder -

Königsmörder
von Robert Harris

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Wie in seinen früheren historischen Romanen, darunter „München“ (2017) oder zuletzt „Vergeltung“ (2020), besticht der britische Schriftsteller Robert Harris (65) auch in seinem im November 2022 beim Heyne-Verlag veröffentlichten Roman „Königsmörder“ wieder durch intensive Fakten-Recherche in Archiven und historischen wie neuzeitlichen Publikationen. „Die Ereignisse, die Zeitangaben und die Orte sind historisch zutreffend, und fast jede handelnde Figur hat tatsächlich gelebt“, versichert der Bestseller-Autor in seinem Vorwort. Dennoch bleibt sein Roman die „fantasievolle Neuschöpfung einer wahren Geschichte, der Suche nach den 'Königsmördern' von König Karl I., der größten Menschenjagd des 17. Jahrhunderts“.

Harris schildert das, von notwendigen Ortswechseln abgesehen, lähmende Leben der beiden als „Königsmörder“ verfolgten und in den erst kürzlich an der amerikanischen Ostküste gegründeten Kolonien versteckten Offiziere Edward „Ned“ Whalley (1598 – 1674) und William Goffe (1618 – ca. 1679). Beide waren nachweislich mit dem Schiff aus England am 27. Juli 1660 im Hafen von Boston (Massachusetts) eingetroffen, womit auch die Romanhandlung beginnt. Beide hatten nach dem Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner unter Oliver Cromwell (1599-1658) das Todesurteil zur Enthauptung des 1649 abgesetzten Königs Karl I. (1600-1649) aus dem Haus Stuart an vorderster Stelle mitunterzeichnet. Sowohl Whalley als auch sein Schwiegersohn Goffe mussten trotz des erlassenen Amnestie-Gesetzes („Act of Oblivion“, so auch der Originaltitel des Romans) seit Wiederherstellung der Monarchie am 29. Mai 1660 und der Thronbesteigung Karls II. (1630-1685) mit der Todesstrafe rechnen. Seitdem werden sie in Harris' Roman bis zu ihrem Tod von Richard Nayler – eine vom Autor als Chef des königlichen Geheimdienstes erfundene Figur – nicht nur in dienstlichem Auftrag, sondern auch aus persönlicher Rache gejagt.

In atmosphärischer Dichte und immenser Faktenfülle sowie durch erstaunliche Realitätsnähe überzeugend erzählt Harris in seinem spannenden Geschichtsroman drei ineinander verwobene Handlungsstränge: Im Vordergrund steht das Leben der beiden Offiziere über einen Zeitraum von fast 20 Jahren in den teils von liberalen, teils von fanatischen Puritanern bevölkerten Kolonien Massachusetts und Connecticut. Wir erfahren viel über Leben und Denken dieser Pietisten in Neu-England, die sich nur in der Ablehnung englischer Herrschaft weitestgehend einig sind. Wir erleben 1664 die Eroberung der holländischen Siedlung Neu-Amsterdam im Auftrag des Herzogs von York, die fortan New York genannt wird, sowie 1675 die ersten kriegerischen Zusammenstöße der Siedler mit Indianern, wobei sich William Goffe als „Engel von Hadley“ besondere Verdienste erwirbt. Die zwangsläufig ereignislose Zeit in den Verstecken nutzt Autor Harris geschickt, in dem er Whalley seine – tatsächlich nie verfassten – Memoiren schreiben lässt. Darin berichtet uns der Offizier, und dies ist der zweite Handlungsstrang des Romans, über die ihrem Exil vorausgegangenen Jahre des englischen Bürgerkriegs und die wenigen Jahre der von Cromwell geführten Republik. Zeitgleich zum Aufenthalt der Exilanten in Neu-England (1660-1679) erfahren wir im dritten Handlungsstrang vom ärmlichen Leben der in London zurückgebliebenen Angehörigen von Whalley und Goffe in anhaltender Angst vor Sippenhaft sowie über die Herrschaft des neuen Königs und seinen Höflingen und Beamten. In diesen Zeitraum fallen auch die Pest von London (1665) und der große Brand des Jahres 1666.

Robert Harris gelingt es auf wieder faszinierende Weise, uns die Fülle historischer Fakten, denen er sogar dank seiner akribischen Recherche das bislang unbekannte Geburtsdatum von William Goffe hinzufügen konnte, als lebhaft geschilderten Szenen ein Gesamtbild zu vermitteln, ohne uns Leser damit zu erschöpfen. „Königsmörder“ ist ein spannender, realitätsnaher Roman, der, wie bei diesem Autor gewohnt, wieder das Zeug zum Bestseller hat. Lediglich das etwas überraschende „Happy End“ des Romans kann man als allzu phantasievolle Schwachstelle empfinden.