Rezension

Sollte wirklich jede*r gelesen haben!

Kim Jiyoung, geboren 1982 -

Kim Jiyoung, geboren 1982
von Nam-joo Cho

Bewertet mit 5 Sternen

Kim Jiyoung, geboren 1982 wächst im Südkorea der 80er Jahre auf. Als Leser:innen begleiten wir sie von Geburt an bis hin zu ihren ersten eigenen Erfahrungen als Mutter. Eindrucksvoll und erschreckend wird anhand jedem Abschnitt ihres Lebens aufgezeigt in was für einer männerdominierten, misogynen Welt wir leben und das nochmal verstärkter in asiatischen Ländern.

Schon als kleines Kind lernt sie sich ihrem Bruder unterzuordnen. Er bekommt ein eigenes Zimmer, während sie sich eins mit ihrer Schwester teilen muss. Er bekommt mehr Nahrung und Anerkennung, egal wie sehr sich Kim Jiyoung und ihre Schwester bemühen. Auch im Haushalt muss er nicht helfen, die Schwestern jedoch schon. So zieht es sich ihr gesamtes weiteres Leben fort. In der Schule ist es in Ordnung, wenn Jungs sie ärgern. An der Universität erhalten die männlichen Kommilitonen die Praktika, auch bei schlechteren Leistungen. Im Arbeitsleben erhalten Männer eher den Job und als sie schließlich Mutter wird erwartet ihr Mann, dass sie mit dem Kind zu Hause bleibt.

Character (10/10):
Besonders gut an Kim Jiyoung hat mir gefallen wie naiv und nüchtern sie beschrieben wurde. Es wurde beim Lesen sehr schnell deutlich, dass sie, vor allem als Kind, nicht versteht, warum bestimmte Dinge von ihr erwartet werden, aber nicht von Jungs. Im Laufe ihres Lebens wächst sie natürlich mehr und mehr in dieses System hinein, dennoch hinterfragt sie oft warum sie und alle andere Frauen so behandelt werden wie sie behandelt werden. Teilweise wird auch auf ihre Großmutter und Mutter eingegangen. Man merkt als Leser:in, dass mit jeder Generation ein bisschen mehr passiert. So hat Jiyoung zumindest die Möglichkeit zur Schule und Universität zu gehen, was ihrer Großmutter noch vollkommen verwert blieb. Es ist traurig, dass Männer und Frauen immer noch so unterschiedlich behandelt werden. Dennoch weckt es die stille Hoffnung, dass so lange wir weiter dafür Kämpfen diese Unterschiede irgendwann vollkommen überwunden sind.

Atmosphere (10/10):
Auch die ganze Atmosphäre des Buchs fand ich großartig. Auch diese war einfach nüchtern und abgeklärt. Oft gab es Fußnoten, die die Geschehnisse mit Zahlen belegt haben. Es wurde von der Autorin hier nichts beschönigt dargestellt. Sie hat einfach die Fakten in Form von einer Geschichte dargelegt.

Writing Style (10/10):
Der Schreibstil blendet mit dem, was ich bereits geschrieben habe, ein. Es war wirklich einfach nüchtern, sachlich und auf den Punkt gebracht. Dennoch hat es sich wirklich gut und schnell lesen lassen. Ich war wahnsinnig begeistert!

Plot (10/10):
Muss ich dazu noch was sagen? Ich fand ganz einfach genial, dass die Autorin in diesem Buch geschafft hat diese ganzen Fakten in einer Geschichte zu vereinen und zusätzlich ihre eigenen Erfahrungen mit einfließen zu lassen.

Intrigue (10/10):
Mich hat es vollkommen gepackt. Ich habe nur zwei Tage für dieses Buch gebraucht, da ich es gar nicht aus der Hand legen wollte. Es war teilweise schockierend zu lesen, dennoch habe ich die ganzen Informationen nur so aufgesogen, weil ich der Meinung bin, dass man so etwas lesen muss, um seine eigenen Erfahrungen besser reflektieren und einordnen zu können. Oft sind wir bestimmte Aussagen und Verhaltensweisen so gewöhnt, dass wir sie gar nicht mehr hinterfragen.

Logic (10/10):
Auch hier habe ich nichts zu beanstanden. Für mich hat die ganze Handlung auf erschreckende Weise Sinn ergeben.

Enjoyment (10/10):
Von Lesespaß zu reden ist in solch einem Kontext ein bisschen komisch, da es natürlich nicht wirklich Spaß macht nochmal so deutlich vor Augen geführt zu bekommen wie viel noch immer schiefläuft. Aber genau deshalb liest man ja im Endeffekt solche Bücher. Man möchte etwas dazu lernen.

Fazit (10/10):
Noch kein Buch zuvor hat von mir die volle Punktzahl erhalten, aber "Kim Jiyoung, Geboren 1982" verdient es meiner Meinung absolut. Es ist ein wirklich tolles und wichtiges Werk. Es gibt selten Titel, bei denen ich sage, dass man sie gelesen haben muss, weil natürlich jeder einen anderen Geschmack, aber hier mache ich eine Ausnahme. "Kim Jiyoung, Geboren 1982" muss jeder gelesen haben. Natürlich wird es nicht jede*r gleich schätzen, doch ich bin der festen Überzeugung, dass wenn man sich darauf einlässt jede*r etwas daraus mitnehmen kann. Ein wirklich starkes und eindrucksvolles Buch, welches ich ganz sicher noch öfter lesen werde.