Rezension

Schwelbrand

Der Brand -

Der Brand
von Daniela Krien

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt:

Rahel ist 49, Pater von schon Anfang 50, sie Psychologin, er Universitätsdozent. Nach dreißig gemeinsamen Jahren und zwei gemeinsamen Kindern kommunizieren die beiden kaum noch miteinander. Die Akkumulation von kleinen und großen Verletzungen im Laufe der Zeit hat dazu geführt, dass eine große Sprachlosigkeit zwischen den beiden Einzug gehalten hat. 

Als Rahels väterlicher Freund Viktor plötzlich einen Schlaganfall erleidet und dessen Frau die beide bittet drei Wochen lang auf ihren alten Bauernhof aufzupassen, sind die beiden gezwungen sich einen Sommer lang auf ihre Probleme zu besinnen. 

Und werden an einen Scheideweg geführt…

Meine Meinung:

Ich habe bei Diogenes gelesen, Daniela Krien habe gesagt, das Kernthema von „Der Brand“ sei das Gefühl der Entfremdung von Menschen aus der Gesellschaft. Ich finde, es geht in vielerlei Hinsicht um Entfremdung. Die aus der Gesellschaft steht dabei gar nicht so sehr im Zentrum, auch wenn immer wieder aktuelle Themen aufgegriffen und kritisiert werden. Manchmal konnte ich diese Kritik sehr gut nachvollziehen, manchmal wirkte sie für mich zu sehr überzeichnet, um den Finger wirklich in die Wunde zu legen. 

Dass Rahel und Peter mit der Schnelllebigkeit der Welt, mit dem Altern und dem Fortschreiten der Zeit überfordert sind, das wird deutlich. Vor allem, weil zwischen den beiden alles so starr geworden ist. Daniela Krien schafft es sehr gut diese Sprachlosigkeit sichtbar zu machen. Ich mag ihre klare, einfach Sprache und wie sie es schafft mit wenigen Worten Atmosphäre zu erzeugen. In der Stille und Langsamkeit der Geschichte entsteht eine ganz eigene Art von Spannung. 

Ich glaube, dass „Der Brand“ ein Buch mit mehreren Schichten und wahnsinnig viel Interpretationsspielraum ist. Man kann es auf sehr unterschiedliche Art lesen. Genau an dieser Stelle entfaltet sich leider auch das Problem, das ich beim Lesen hatte. Die oberste Schicht ist zu sehr zugeklebt mit Oberflächlichkeiten, sodass es mir nur in Ansätzen gelungen ist, sehen zu können, was darunter liegt. 

Schuld daran ist für mich in erster Linie die Protagonistin Rahel, aus deren Sicht die Ereignisse erzählt werden. Ich habe mich lange gefragt, ob es so etwas wie eine feministische Lesart für sie gibt. Rahel ist mir schrecklich umsympathisch. Die Autorin hat für sie den Beruf der Psychologin gewählt und eigentlich finde ich es sehr spannend, lesen zu können, wie professionelle Menschen mit ihren privaten Problemen umgehen. Aber Rahel als Psychologin erscheint mir irgendwie unglaubwürdig, weil sie überhaupt nicht „umgeht“, sie unternimmt nicht einmal den Versuch dazu. Sie jammert bloß und bemitleidet sich dafür, dass ihr Mann nicht mehr mit ihr schlafen will, anstatt anzuerkennen, dass der fehlende Sex nicht das Hauptproblem zwischen den beiden ist. Ganz zu schweigen von ihrer Beziehung zu Tochter Selma, deren psychischen Probleme sie entweder nicht anerkennt oder aber viel zu sehr auf sich selbst bezieht. Außerdem gefällt es mir nicht, wie Rahel über ihre Patient*innen denkt oder spricht. Vielleicht bin ich naiv, aber ich finde, wer Psychotherapie anbietet, der muss einen gewissen Grundrespekt für die Gefühle anderer Menschen mitbringen. Jedenfalls ist es diese Selbstzentriertheit von Rahel, die über weiten Strecken der Geschichte zu viel Raum einnimmt und so vielleicht verhindert hat, dass man sich auf’s Wesentliche konzentrieren kann. 

Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschichte die Wurzel des Übels besser anpackt. Dass zumindest am Ende ehrlich geredet wird, und auch mal Dinge ausgesprochen und verhandelt werden, die richtig wehtun. Aber stattdessen zieht sich die Sprachlosigkeit und zieht sich und zieht sich. Auch wenn zum Schluss Lösungen für viele Dinge angeboten werden, waren die mir irgendwie zu einfach. 

Fazit:

„Der Brand“ stellt drei Paare aus drei Generationen einander gegenüber. Diese Dynamik allein fand ich sehr sehr spannend. In meinen Augen hätte man noch etwas mehr herausholen können.

Ich kann nicht wirklich sagen, dass mir das Buch gefallen hat, ich kann aber auch nicht sagen, dass er mir nicht gefallen hat. Keine Frage, es ist eine außergewöhnliche Geschichte, an der man sich reiben und über die man sehr gut diskutieren kann. Ich würde es jedem empfehlen, der sich gerne mit Literatur auseinandersetzt, mit dem Warnhinweis, dass man auch möglicherweise  enttäuscht werden kann. Allein über den Titel könnte ich sehr lange nachdenken und ich merke, während ich meine Rezension schreibe, dass auch die Geschichte noch weiter in mir arbeitet.