Rezension

Schön-schauriger Jugendroman, allerdings mit nicht unwesentlichen Schwächen

Die Nacht der Acht
von Philip Le Roy

Es sollte ein lustiger Abend werden, mal was anderes, als immer nur die Beerpong-Zusammenkünfte der acht kreativen, begabten Außenseiter eines Kunstgymnasiums. Statt nur zu trinken um des Trinkens willen, sollte dieses Mal mit Plan getrunken werden: Eine Horrornacht – wer sich erschreckt, trinkt! So lautete die wichtigste und einzige Regel des Abends. Was als kreativer Spaß mit einer gehörigen Portion Gänsehaut beginnt, wird für die Acht bald bitterer Ernst, denn mit fortschreitender Nacht können Sie immer weniger beurteilen: Was ist bewusst inszeniert, was ist echt und was entspringt ihrer verängstigten Fantasie?

Man muss Gänsehaut, Grusel und Horror schon mögen, um einen Zugang zum Roman finden zu können. Nicht nur wegen der zum Teil wirklich gruseligen, wenigstens aber kreativen (und manchmal sogar lehrreichen) Ideen, die sich die Acht einfallen lassen, um sich gegenseitig ins Boxhorn zu jagen. Sondern auch wegen der vielen Hin- und Verweise auf Klassiker des Horror-Genres, die die Leser formlich dazu einladen, ihre eigene Kenntnis mit denen der Acht abzugleichen und zu messen. Eben diese Verweise machen den Roman quasi auch zu einem hervorragenden Handbuch für alle, die noch Horror-Fans werden wollen.
Die Spannung, die vor allem auch der Romananfang aufbaut, aber auch die anhaltende Frage: Was ist inszeniert und wo beginnt der reale Schrecken?, die man sich als Leser stellt, verspricht jedoch etwas zu viel je näher man der Romanmitte kommt. Übertriebene Reaktionen und Handlungen, massive Handlungssprünge sowie die scheinbar endlose Wiederholung derselben Fehler, trüben ein wenig das Leseerlebnis. (Zugleich mutet Letzteres – liest man es mit einem Augenzwinkern – fast schon wie  eine Hommage an all die Horrorfilme an, bei denen man sich unweigerlich fragt: Wieso macht er/sie nicht einfach das Licht an?). Ein großes Manko ist auch, dass viele brisante Themen – Mobbing, Selbstmord, Radikalisierung, die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit von der „normabweichenden“ sexuellen Orientierung – angeschnitten, aber häufig ohne tiefergehende, differenzierte Auseinandersetzung, quasi im Angesicht des nächsten, gemachten Schreckens, einfach vergessen werden.
Das Ende schafft es eher mäßig, den schwachen Mittelteil aufzufangen. Zwar spielt es wiederum mit einem (scheinbar) typischen Aha-Moment des einen oder anderen Horror- oder Gruselfilms, was dem Fan ein Schmunzeln und Augenrollen zugleich abgewinnt. Bei dem stilistisch unglücklich umgesetzten Schlusswort, einer Art zehnseitigen Zusammenfassung des Romans, geht dem Leser hingegen noch das letzte bisschen Spannung verloren.
Wo der Plot noch überzeugen mag, da versagt er klar bei den Figuren. Die große Namens- und Klangähnlichkeit der acht Hauptfiguren macht es von Anfang an schwer, sie auseinanderzuhalten. Durch den gewählten, dialoglastigen Stil (der ein schnelles, leichtes Lesen ermöglicht und zusätzlich für Dynamik sorgt) fehlt zudem die Einsicht in die Gedanken- und Gefühlswelt der Jugendlichen, wodurch es keiner Figur gelingt, dem ihr jeweilig zugeordneten Typen-Status zu überwinden.

 „Die Nacht der Acht“ ist ein Jugendroman, das darf man auf keinen Fall vergessen und dafür wartet er mit einer guten Idee, einem soliden unterhaltsam-spannenden Plot, aber auch einigen gehörigen Defiziten auf. Wer gern Geschichten liest, in denen man sich mit der/dem Protagonisten/in identifizieren, mitfühlen kann, der ist mit „Die Nacht der Acht“ schlecht beraten. Für Horror-Fans und Freunden der soliden Unterhaltung ist der Roman allerdings eine klare Empfehlung – insbesondere in windigen, im besten Falle gewittrigen, Regennächten. (Deswegen nur 3½ von 5 Sternen.)