Rezension

Roman über die Entstehung der Augsburger Puppenstube

Herzfaden - Thomas Hettche

Herzfaden
von Thomas Hettche

Bewertet mit 4 Sternen

Thomas Hettches neues Buch „Herzfaden“ entführt in die Entstehungszeit der Augsburger Puppenkiste. Geschickt verknüpft Hettche dabei zwei Ebenen, um die Geschichte lebendig werden zu lassen.

Ausgangspunkt der Gegenwartshandlung ist ein 12-jähriges Mädchen, das bei einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste eine Tür zum Dachboden entdeckt, auf dem es auf Marionetten stößt und vor allem auch auf Hatü, das ist der Spitzname von Hannelore Oehmichen, die dem Mädchen ihre Lebensgeschichte erzählt – und damit auch die Entstehungsgeschichte des Augsburger Puppentheaters.

Gelungen ist Hettche mit dieser doppelten Erzählebene, das Magische des Puppentheaters sichtbar zu machen. Das Mädchen, das sich eigentlich schon zu alt für ein Puppentheater fühlt, wird in die Welt der Marionetten katapultiert, indem es auf Marionettengröße schrumpft. Schnell ist die Neugier des Mädchens geweckt und so wird Stück für Stück die Geschichte des Puppentheaters aufgedeckt – auch die dunklen Seiten, denn alles beginnt mitten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Schließlich gründet Hatüs Vater Walter Oehmichen auch nur deshalb die Augsburger Puppenkiste bzw. „Oehmichen’s Marionetten-Theater“, weil er mit Ende des Dritten Reichs seine Stelle am Stadttheater verliert.

Überhaupt konkurrieren in Hettches Werk Notwendigkeit und Magie häufiger – so sind die ersten Mitarbeiter bald wieder weg, um anderswo mehr Geld zu verdienen, oder sie sind gefangen von der Magie des Theaters. Der titelgebende Herzfaden spielt bei der Magie des Marionettenspiels eine entscheidende Rolle. Der Herzfaden, erklärt Hatüs Vater, sei der wichtigste Faden einer Marionette:

„Nicht sie wird mit ihm geführt, sondern mit ihm führt sie uns. Der Herzfaden einer Marionette macht uns glauben, sie sei lebendig, denn er ist am Herzen der Zuschauer festgemacht.“

Hettches Buch endet kurz bevor das Engagement des Fernsehens mit der Filmaufnahme von Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ und damit der endgültige (auch finanzielle) Durchbruch gelingt. So konzentriert sich der Blick auf die Puppenkiste im Werden – mit Diskussionen über Stücke für Erwachsene (Der kleine Prinz), Tourneen im Kleinbus und dem Erwachsenwerden der Protagonistin Hatü, .