Rezension

Rezension zu „Die Therapie“ von Sebastian Fitzek

Die Therapie
von Sebastian Fitzek

Zum Inhalt: „Die Therapie“ ist der Debüt-Psychothriller des Erfolgsautors Sebastian Fitzek, jedoch nicht das erste Werk, dass ich von ihm gelesen habe.
 Der Plot erstreckt sich über zwei Handlungsebenen: Während der Protagonist Dr. Viktor Larenz in der erzählten Gegenwart als offensichtlich geistig gestörter Insasse einer psychiatrischen Anstalt auf einen zunächst nicht weiter greifbaren Prozess wartet, spielt sich die Haupthandlung innerhalb der letzten vier Jahre vor der erzählten Gegenwart ab: Der prominente Star-Psychiater Dr. Viktor Larenz ist krank vor Sorge um seine Tochter Josephine: seit Monaten leidet die Elfjährige unter wiederkehrenden Krampf- und Fieberanfällen, begleitet von heftigen Fieberschüben. Keiner der unzähligen Ärzte konnte bislang die Ursache von Josys Leiden aufdecken. Als seine Tochter dann auch noch spurlos während eines Arztbesuches aus der Praxis verschwindet und innerhalb der nächsten vier Jahre keine Spur von ihr gefunden wird, bricht das Leben von Viktor Larenz vollständig zusammen. Er beginnt zu trinken, verkauft seine Praxis, ertrinkt in seinem Kummer. Als Zufluchtsort dient ihm seit jeder das Ferienhaus seiner Eltern auf der Insel Parkum. Hierher verzieht er sich, um sich seinen Dämonen zu stellen und nach Jahren der Isolation an einem Interview für eine Zeitschrift zu arbeiten.
Doch in die Abgeschiedenheit platzt plötzlich eine junge Frau namens Anna Spiegel hinein, die sich Dr. Larenz als Kinderbuchautorin und Schizophrenie-Patienten vorstellt und ihn bekniet, ihr Leiden zu behandeln. Widerstrebend handelt  Larenz entgegen seiner Überzeugung, keine Patienten mehr zu behandeln, schon gar nicht außerhalb der  gewohnten Praxis-Umgebung. Und während er anfänglich noch versucht, den Kontakt zu der seltsamen Frau, die sich schnell in Ungereimtheiten verstrickt, wieder einzuschränken, zieht ihn ihre Geschichte in einen Bann, dem er sich bald nicht mehr entziehen kann: Annas Krankheitsbild manifestiert sich darin, dass  in ihrem Geist die Figuren, die sie in ihren Büchern erschafft, real werden und Kontakt zu ihr aufnehmen. Und eine dieser Figuren gleicht unverwechselbar Larenz‘ Tochter Josephine…
Larenz ist elektrisiert und schaltet einen Privatermittler ein: Was weiß die Frau? Woher hat sie ihre Informationen? Hat sie mit Josephines Verschwinden zu tun? Und wer ist eigentlich Anna Spiegel, vor der ihn im Verlauf der nächsten Tage mehr und mehr Menschen zu warnen beginnen…?
Es beginnt eine Suche nach der Wahrheit, in deren Verlauf der Leser, wie so typisch für Fitzeks Bücher, schnell nicht mehr zwischen Realität und Wahn(sinn) unterscheiden kann.

„Sie ist nicht schizophren, Dr. Larenz. Alles, was sie sagt, hat sie wirklich getan.“

Eigene Meinung: Die grundlegende Idee der Geschichte, sowie ihre Auflösung am Ende, die nach einigen Wendungen doch so ganz anders war, als ich zwischendurch gedacht hatte, hat mir prinzipiell gut gefallen. Die Geschichte ist gut angelegt, und die Beschreibung der beängstigend gestörten Anna Spiegel, in deren Gegenwart es Viktor Larenz auf so unerklärliche Art und Weise immer schlechter geht, bis er ihr hilflos ausgeliefert zu sein scheint, ist, zusammen mit der sich verschärfenden Situation auf der von einem Unwetter heimgesuchten Insel, so dass alsbald niemand mehr die Insel verlassen oder betreten kann, sehr stimmig und wirkungsvoll. Die Stimmung ist düster und das Konzentrieren der Handlung auf das von Regen und Sturm umtoste Haus, in dem man sich vor dem, was als nächstes passieren mag, fürchtet, führt zu einem guten Spannungsbogen.
Und doch konnte mich der Thriller letztlich nicht richtig überzeugen. Zum Teil mag es an der recht schlichten, dafür aber für meinen Geschmack von etwas zu vielen Klischees und Platitüden durchzogenen Erzählweise liegen (der „Star“-Psychiater mit seinem „Anwesen“ in Berlin, die Ehefrau aus einer der ältesten Bankiersfamilien Norddeutschlands), was mit Sicherheit der Tatsache geschuldet ist, dass es sich bei diesem Werk um Fitzeks erstes handelt. Zum anderen liegt es daran, dass die Spannung für mich, insbesondere nach dem zweiten Drittel, als die Situation auf der Insel hinreichend beschrieben war und ich begann, die Auflösung herbeizusehnen, nicht konsequent gehalten werden konnte. Vielleicht hätte man auf die eine oder andere Wiederholung von Dr. Larenz‘ desolatem Gesundheitszustand oder des adretten Erscheinungsbilds Anna Spiegels verzichten können.
Zusätzlich hat mich gestört, dass zum Ende sehr viele Fäden gespannt wurden, die nicht alle aufgelöst werden konnten. Für mich war die Auflösung selbst gut konstruiert und überraschend – es hätte daher die unzähligen zusätzlichen Hinweise auf alternative Lösungsansätze meiner Meinung nach nicht gebraucht. So etwas funktioniert für mich nur, wenn es dem Autor gelingt, all diese Nebenschauplätze auch noch aufzulösen , was hier leider nicht der Fall war. Daher war am Ende vielleicht etwas zu viel gewollt.
Fazit: Ein gut und zügig zu lesender Psychothriller mit einer zumeist schlüssigen Handlung, der aber sicherlich nicht Fitzeks Meisterstück ist!