Rezension

Preisgekrönte Erzählung über das Leben in Tansania zu Zeiten schwerer Unruhen - berührend und beängstigend zugleich!

Mai bedeutet Wasser -

Mai bedeutet Wasser
von Kayo Mpoyi

In „Mai bedeutet Wasser“ wird die Geschichte der Familie Mukendi aus der kindlichen Perspektive des Mädchens Tshadi, genannt Adi, erzählt, die mit ihren Eltern und den Schwestern Dina und Mai in Daressalam, Tansania, aufwächst.

Obwohl die Familie, die aufgrund der Anstellung des Vaters in einer Wohnung in einem bewachten Gebäudekomplex im Diplomatenviertel lebt, zu Beginn der Erzählung verhältnismäßig gut situiert scheint, wird vielfach auch die Einfachheit ihrer Lebensverhältnisse deutlich. In Adis Wahrnehmung ist die gemeinsame Familienzeit durch die Bemühungen des Vaters bestimmt, den Kindern Glaube und Bildung zu vermitteln, was jedoch z.B. im Hinblick auf das allabendliche Rezitieren nicht konfliktfrei geschieht, da Dina und Adi häufig den hohen Ansprüchen des Vaters nicht gerecht werden, wodurch insbesondere bei Dina trotziges, rebellisches Verhalten provoziert wird.

Adi ist die stille Beobachterin. Sie teilt ihre Gedanken mit den Leser:innen und zeigt dadurch, wie sehr die kulturellen Einflüsse und Traditionen, Glaube und Aberglaube gleichermaßen ihr Denken und Handeln beeinflussen. Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit der Geburt ihrer schwer kranken Schwester Mai deutlich, in der Adi ein Geistwesen sieht, dass sie immer wieder zu schikanieren versucht. Bestätigung für ihre ablehnende Haltung gegenüber Mai scheint Adi durch die teilweise sehr tragische Familiengeschichte zu erhalten, die durch Gewalt, plötzlichen Kindstod und persönliche Schicksale geprägt ist. Fragmentarisch wird der Stammbaum der Familie nacherzählt, wodurch insbesondere die Grausamkeiten des Kolonialismus und die schwierige Rolle der Frau deutlich werden. Dies wird meiner Meinung nach in Bezug auf das traumatisierende Geheimnis, das Adi mit sich trägt, deutlich.

Durch die sehr authentische Erzählweise hatte ich das Gefühl, die persönliche Entwicklung von Adi hautnah mitzuerleben und gleichsam einen tiefen Einblick in eine mir fremde Kultur zu erhalten. Aufgrund der vielen schonungslosen Darstellungen musste ich häufig innehalten und versuchen, die erzeugten inneren Bilder zu verarbeiten.

Insofern war dieses Leseerlebnis ganz anders als erwartet, da ich das Buch aufgrund des Covers und der Beschreibung eher im Bereich der Jugendliteratur eingeordnet hätte. Zwar sind einige Passagen geeignet, um auch mit Jugendlichen über Themen wie Missbrauch, Kolonialisierung, Aberglaube und Unruhen zu sprechen, aber ohne Lesebegleitung könnte die Lektüre dieses Romans für heranwachsende Leser:innen meiner Meinung nach sehr verstörend sein.

Insgesamt hat mich „Mai bedeutet Wasser“ tief berührt und ich werde dieses Buch deswegen mit der entsprechenden Vorwarnung gern weiterempfehlen, weil es durchgängig zum Nach- und Weiterdenken anregt und somit lange im Gedächtnis bleibt.

Ich danke dem CulturBooks Verlag und Netgalley für das Rezensionsexemplar.

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