Rezension

Nichts ist so, wie es scheint

Der Weltreporter
von Hannes Stein

Bewertet mit 3 Sternen

In naher Zukunft beherrscht "die Krankheit" das Leben in Deutschland. Wenige Menschen sind unterwegs, Kontakte sind unerwünscht. Da trifft es sich gut, dass ausgerechnet Reisereporter Bodo von Unruh und Studentin Julias Bacharach immun gegen die Krankheit sind. In einer Hotelbar lernen sich der ältere von Unruh und die quirlige Julia kennen. Er ist nicht ihr Typ, zu alt, macht optisch wenig her. Doch am Ende siegt die Neugier auf einen neuen Menschen und die beiden treffen sich häufiger, wenn auch nicht oft, denn der Reporter ist überall auf der Welt unterwegs, um neue Reiseberichte für ein Hochglanzmagazin zu schreiben.

Hannes Stein hat ein Szenario entworfen, das gerade jetzt hoch aktuell ist. Obwohl er versichert, den Roman vor Ausbruch der Corona Pandemie geschrieben zu haben, sind doch viele Parallelen zu entdecken. Seine beiden Hauptprotagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, ein Weltenbummler und Einzelgänger trifft auf eine junge Studentin, die nebenher als Taxifahrerin jobbt. Ihre Treffen sind nicht häufig, dienen aber als Rahmenhandlung des Romans, der eigentlich mehr als Kurzgeschichtensammlung gesehen werden kann.

Zusammen mit seinem Fotografen bereist der Reporter die ganze Welt und erlebt überdurchschnittlich Skurriles, Fantastisches und lernt unglaubliche Menschen kennen. Er spielt mit den Emotionen des Lesers, gibt Rätsel auf und legt den Finger auf gesellschaftliche Wunden.

Der Besuch eines nur durch Einladung und einer horrenden Summe als Eintritt zu erreichenden Restaurants ist so ein Beispiel. Narkotisiert, um den Ort des Geschehens nicht wiederzufinden, erreicht der Gast eine Lagerhalle statt eines Nobelrestaurants. Die Menüfolge ist festgelegt und lautet wie folgt:
"Mehlwurmcocktail im Buffelgras, Aalsuppe mit tausendjahrigen Ei, Lauwarme Vogelnest mit Catsup, Fliegenpilsrisotto mit Hakarl, Kandierte Dachsohren, Eskimo Eiskrem, Funferlei von Langschwein, Achtschatze Reispudding"

Nichts, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenlaufen würde, aber ein Gang hat es tatsächlich mehr als alle anderen in sich. Nicht gerade mein Lieblingsreisebericht.

Selbst die kleine Liebesgeschichte nimmt am Ende eine überraschende Wendung, mit der ich so nicht gerechnet habe. Desto näher sich die beiden Liebenden kommen, um so offensichtlicher wird es, dass Bodo etwas zu verbergen hat.

Dem Autor ist es gelungen, mich mehrmals zu schocken und auch innezuhalten. Nicht alles, was ich gelesen habe, hat mich tatsächlich begeistert. Manchmal wurde mir zu sehr herumphilosophiert oder das blaue vom Himmel gelogen. Dennoch trifft er mit seinen Geschichten genau den Puls der Zeit, ob es um einen amerikanischen Präsidenten geht oder um eine geheime Stadt, die von künstlicher Intelligenz gesteuert wird, es stimmt nachdenklich.