Rezension

"Mühsam ist das, immer den gleichen Idioten zu begegnen."

Junge mit schwarzem Hahn -

Junge mit schwarzem Hahn
von Stefanie vor Schulte

Bewertet mit 4 Sternen

Beim ersten flüchtigen Blick auf den Buchtitel habe ich mich verlesen und überlegt, was die Haarfarbe wohl für eine Rolle spielen wird, dass sie so prominent im Titel steht. Ich war vom schönen Coverbild abgelenkt, auf dem ich nach dem zweiten Blick nun den Hahn vermisse. Denn Martin und sein schwarzer Hahn sind unzertrennlich. Nach dem schrecklichen Verlust seiner Familie ist dem Jungen nur dieser Hahn geblieben und der hat ihn schon als Säugling beruhigt und umsorgt. Mein Verhältnis zu Hahn und Hennen ist sehr angespannt, was auf einem Erlebnis in sehr jungen Jahren beruht. Auf Augenhöhe mit unserem Hofhahn hat sich dieser nämlich in einen Stier verwandelt und ist auf mein rotes Tuch losgegangen, indem leider noch mein Kopf drinsteckte. Ich zweifle also diese innige Verbindung zwischen Junge und Hahn aus persönlichen Bewegründen an. Als der Hahn dann zu sprechen beginnt, mischt sich Neid zu meinen Zweifeln. Ein sprechendes Tier als Gefährte! Wer würde sich das nicht wünschen als Kind?

Stefanie vor Schultes Roman „Junge mit schwarzem Hahn“ will sich ungern einordnen lassen. Parabel, Märchen, Erzählung, Phantasiestück – das Label ist ihr und mir gleich. Wichtig sind ihr Worte, Poesie, Bilder, Menschen, Gesellschaft, der Junge und sein Hahn. In einer ganz eigenen, poetischen Sprache entwirft die Autorin ein Bild von einer Zeit, in der sich die Gesellschaft zu wandeln beginnt und die meisten Menschen davon noch nichts mitbekommen haben, weil sie ihrem Glauben und ihrem Aberglauben nur ihre Einfalt entgegensetzen können. Martin ist zu schlau für die anderen. Unweigerlich muss ich an Til Eulenspiegel denken. Doch dafür ist der Junge zu zart und ehrlich. Er will den Menschen keinen Spiegel vorhalten, nur sich selbst möglichst schützen und Unrecht wieder gut machen, solange es in seiner Macht steht. Martin verlässt sein Dorf und geht mit dem Maler auf Wanderschaft durch eine kriegsgebeutelte Welt, die vom Hunger regiert wird. Durch seinen Verstand und seine Beobachtungsgabe kann er sich aus einigen brenzligen Situationen retten und verfolgt unablässig das Ziel, herauszufinden, warum die Reiter im Land Kinder entführen. So findet er sich schließlich mit seinem Hahn in einem Herzogtum wieder, in dem Machtanspruch und Herrscherwillkür erschreckende Blüten treiben und das auch mit Martins eigener Familiengeschichte verwoben ist.

Dieses Buch, dessen Titel wie ein Gemälde klingt, ist eine literarische Entdeckung. Auf einfache wie raffinierte Art und Weise geht es um die Kernthemen der Menschheit und den Glauben mit Liebe, Mut, Herz und Verstand etwas gegen die Idiotie und Grausamkeit in der Welt ausrichten zu können.