Rezension

Moderne Philosophie, Schach und ein wenig Quantenphysik

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Bewertet mit 4.5 Sternen

Matt Haig sagte einmal, dass Bücher für ihn wie Antidepressiva seien. Bereits nach der Veröffentlichung seines Sachbuchs „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ war der Leserschaft klar, dass der mittlerweile 45 Jahre alte Autor, welcher selbst an Depressionen litt, mit seinen Büchern tatsächlich eine antidepressive Wirkung erzeugen konnte. Ohne all seine Bücher gelesen zu haben, möchte ich dennoch davor warnen, dass beim neuesten Werk „Die Mitternachtsbibliothek“ Vorsicht geboten sei. Bevor man sich an Noras Fersen heftet, die im Buch viele ihrer möglichen Leben erkundet, muss einem klar sein, dass Suizid eine große Rolle in der Geschichte spielt und hier womöglich die besagte Wirkung nicht im Vordergrund steht.

 

Nora möchte sich nämlich umbringen. Sie fühlt sich zu nichts mehr zunutze und beschließt ihrem Leben ein Ende zu setzen. Bevor sie jedoch in das Reich der Toten übergeht, macht sie Zwischenhalt in der Mitternachtsbibliothek. Dort ist sie mit einer unendlichen Anzahl an Büchern konfrontiert, die ihre Lebensstränge in Paralleluniversen darstellen. Sie bekommt die Möglichkeit in diese Leben einzutauchen – doch zu welchem Preis?

 

Bücher und Filme rund um Parallelwelten, „Was wäre, wenn…“-Fragen und die Angst vor ungenutzten Chancen erwecken jedes Mal meine Aufmerksamkeit und mein Interesse. Sei es im Thriller-Genre „Dark Matter – Der Zeitenläufer“, der epische Zeitreiseroman „Der Anschlag“ oder der Film „Arrival“ (basierend auf einer Kurzgeschichte). Wenn man selbst als Leser der Bücher bzw. Schauer der Filmer für diese Themen empfänglich ist und sich damit gerne auseinandersetzt, ist der Zugang zu einer Neuerscheinung wie „Die Mitternachtsbibliothek“ sehr einfach.

 

Der Autor schafft es - zum Glück - mir als Leser mit möglichst wenig Fachwörtern und Theorien der Physik die zugrundeliegende Situation zu erklären, in der Nora sich befindet. Er hält sich nicht lange damit auf, die Quantentheorie zu erläutern oder hält sich ewig mit Schrödingers Katze auf. Die Wahl einer gigantischen Bibliothek als Symbol des Reiches zwischen Leben und Tod hätte nicht besser sein können. Es scheint, als ob Haig gerne mit Motiven und zentralen Themen arbeitet, die sich durch das ganze Buch ziehen, teilweise vorherzusehen sind, dennoch keineswegs überflüssig werden. Die Metaphern und Symbole, die Haig einstreut – beispielsweise wird das Schachspiel auf das Leben bezogen – sind klug gewählt und an den richtigen Stellen eingesetzt. Leider sind auch Handlungselemente vorherzusehen. Der Roman hat überhaupt nicht den Anspruch mich als Leser nach jedem Kapitel zu schocken oder unerwartete Wendungen einfließen zu lassen, jedoch hätte ich mir gewünscht, dass Nora als Protagonistin mehr von dem Weg abweicht, den man erwarten würde.

„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein äußerst kurzweiliger Roman für Jung und Alt. Lest ihn (so wie ich innerhalb eines Abends – unbedingt zu empfehlen) und verschenkt ihn dann an eure Kinder, Nichten, Neffen, Enkel*innen, die ihr Leben noch vor sich haben oder an eure Eltern oder Großeltern, die nach der Lektüre auf ihr Leben zurückblicken und euch erzählen können von der Wahrheit, dass das Leben eine Gabe ist, die man schätze sollte.