Rezension

Mitten aus dem Jugendleben

Den Mund voll ungesagter Dinge -

Den Mund voll ungesagter Dinge
von Anne Freytag

Bewertet mit 4 Sternen

Sophie, 17, von ihrem Vater Christian zärtlich „Motte“ genannt, ist am Boden zerstört. Er hat über ihren Kopf hinweg beschlossen, dass sie beide zu seiner Freundin Lena und ihren beiden Jungs nach München ziehen. Sie aber will unbedingt in Hamburg bleiben. Aber was bleibt ihr anderes übrig. Nach ihrer Ankunft versteht sie sich selbst nicht mehr. Wie kann sie Lena, Valentin und Leon nett finden? Ihr bleiben vorerst nur die Skype-Gespräche mit ihrem besten Freund Lukas, der wegen seiner Freundin nach Paris gezogen ist. Schön zu wissen, dass er sofort kommen würde, wenn Sophie es möchte, wenn sie ihn unbedingt braucht. Alles ändert sich als sie das Nachbarsmädel Alex mit den grünen Augen und dem ansteckenden Lachen kennenlernt. Gleichzeitig beginnt für sie eine Achterbahn der Gefühle.

Lange habe ich gezögert, bis ich mich entschlossen hatte, dieses Buch zu lesen. Ich bin ja doch schon in einem Alter, wo man sich mit dieser Art von Buch nicht mehr identifiziert. Sophie könnte meine Enkelin sein. Sie hat mich immer wieder an mich selbst in diesem Alter erinnert. Ich habe es nicht bereut, zugegriffen zu haben.

Mir gefällt Anne Freytags berührender und sehr intensiver Erzählstil sehr gut. Sie schickt mich ab den ersten Seiten an Sophies Seite, wo ich mich allerdings nicht immer wohl gefühlt habe. Sophie, und auch Alex, sind mir nicht immer sympathisch. Gerade am Anfang, wo Sophie sich nicht wie 17, sondern eher wie ein kleines bockiges Mädel gebärdet, konnte ich mit ihr gar nichts anfangen. Was sich dann aber zum Guten geändert hat. Gerade ihre Selbstzweifel und Ängste finde ich sehr glaubwürdig dargestellt.  
Sehr gut gefallen mir dagegen vor allem Lena, die nicht die sich einschleimende Stiefmutter gibt, sondern sich einfach um ein gutes Verhältnis bemüht und eine sympathische Frau ist. Da kann ich Vater Christian schon gut verstehen, dass er diese Frau liebt. Und allen voran der kleine Leon, den ich am liebsten in die Arme genommen und immer wieder geknuddelt hätte.

Zu den Gefühlen, die sich zwischen Sophie und Alex langsam entwickeln, haben sich bei mir zwiespältige Gefühle eingestellt. Ich finde nicht, dass die Beiden lesbisch sind. Auch wenn sie hier ihre Gefühle für sich entdecken. Eher würde ich sie als bisexuell sehen, da ja beide auch schon Erfahrung mit Männern gemacht haben. Vielleicht sehe ich das aber auch verkehrt, da ich selbst nur Männern zugeneigt bin. Schön finde ich, dass die Homosexualität hier nicht der Grundstein für die Geschichte ist. Viel eher geht es doch darum, dass man sich verliebt, liebt und geliebt wird. Egal von wem. Da ändert sich an den Gefühlen selbst nichts.
 
Eine tolle Geschichte über Freundschaft, Selbstfindung, Liebe, aber auch über Verunsicherung, einfach mitten aus dem Leben, die mich berührt und angesprochen hat – auch mit Ü60.