Rezension

Mitreißende, spannende und starke Fortsetzung!

Die Wunderfrauen - Stephanie Schuster

Die Wunderfrauen
von Stephanie Schuster

Bewertet mit 5 Sternen

Handlung

Die 1960er Jahre beginnen spannend und mit vielen neuen Möglichkeiten. Dies spüren auch Luisa, Helga, Marie und Annabel, sie freuen sich auf aufregende Jahre und verfolgen voller Interesse die Errungenschaften der Frauenbewegung, als auch medizinische Neuheiten wie die Pulle. Und Luise plant voller Tatendrang die Umgestaltung ihres kleinen Ladens, sie möchte nicht nur erweitern, sondern den Kunden auch die Möglichkeit bieten, sich selbst zu bedienen, was neuerdings in Supermärkten üblich ist. Helga währenddessen versucht, den Job, als auch das Dasein als alleinerziehende Mutter zu stemmen, Marie kämpft um die Familie, aber auch um ihre Kräfte, die tagtäglich stark beansprucht werden und Annabel steht kurz vor der Geburt des zweiten Kindes. Doch nicht alles klappt und läuft so, wie es sich die vier Damen erhofft haben. Und wiederholt merken sie, dass das Schicksal sie nicht nur immer wieder zusammenführt, sondern sie eine engere Bindung zueinander haben als gedacht...

Meinung

Schon als ich das Buch erstmals gesehen habe, mochte ich das Cover richtig gern. Es strahlt den Charakter der Handlungszeit aus, ist stimmungsvoll und durchdacht, auffallend und geschmackvoll gestaltet. Am unteren Bildrand sind vier Damen abgebildet, von denen man lediglich von Zweien das Gesicht sieht, die anderen beiden sind dem Betrachter abgewandt. Sie tragen die Mode der 1960er Jahre, auch ihre Frisuren und die Schminke wurden daran orientiert und somit vermitteln sie ein lebendiges und authentisches Bild der Handlungszeit.

Die Schrift, aber auch die Schriftart sind sehr lebendig gehalten und dienten für mich als Blickfang, als ich das Buch erstmals in der Hand gehalten hatte, ist mir diese sofort ins Auge gesprungen. Ich mag die Tiefe, die sie bietet und finde, dass sie das gesamte Bild perfekt verbindet. Insgesamt ergibt sich ein ansprechendes und gelungenes Cover, welches ich nicht nur gern mag, sondern auch als einzigartig und besonders empfinde.

 

Im Juli letzten Jahres hatte ich den ersten Band der Reihe gelesen und sehr geliebt. Ich war davon komplett begeistert, habe die Geschichte einfach nur als perfekt empfunden und letztendlich gehört der Roman auch zu meinen Highlight des Jahres 2020. Dementsprechend groß war meine Vorfreude auf den zweiten Teil, als ich ihn in der Verlagsvorschau entdeckt habe, war ich direkt von dem Cover, aber auch der Inhaltsangabe begeistert. Das Buch dann endlich in den Händen zu halten und wieder in die Welt der vier Wunderfrauen eintauchen zu können, war einfach nur grandios, daher möchte ich mich ganz herzlich beim Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken!

 

Obwohl es für mich schon ein ganzes bisschen her ist, seitdem ich den ersten Band gelesen habe, hatte ich absolut keine Startschwierigkeiten. Innerhalb kurzer Zeit waren mir die Protagonisten, als auch das Setting wieder vertraut und schnell sind mir Details aus dem ersten Band wieder eingefallen und ich konnte der Geschichte ohne Probleme folgen.

Vielleicht lag das auch an dem sehr aufregenden Start, der die Spannung direkt nach oben treibt und anhand dessen bei mir das Bedürfnis sehr hoch war, dass ich unbedingt wissen wollte, was es mit dieser Situation auf sich hat, wie es dazu kam und wie sie sich auflösen wird. Der Prolog setzt wenige Jahre nach dem eigentlichen Start der Handlung ein und gibt ein Ereignis preis, welches im Laufe der Story geschehen wird. Hier kann man bereits erste Vermutungen anstellen und sich überlegen, wie es zu der Ausgangssituation kommen kann. Es gibt also einen vielversprechenden Start, der mir sehr gut gefallen hat und der einen interessanten und reizvollen Beginn bietet.

 

Von der ersten bis zur letzten Seite war die Schreibweise einfach traumhaft und wunderbar lesbar. Sie trägt den Leser sehr angenehm durch die Geschichte und lässt sich leicht und locker lesen. Ich bin sehr flüssig vorangekommen, wenn ich das Buch einmal zur Hand hatte, wollte ich mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören. Stets hatte ich über einen möglichen Fortgang der Handlung nachgedacht und mir überlegt, wie sich manche Ereignisse auflösen und was noch geschehen könnte. Unter anderem deshalb habe ich mich sehr intensiv mit dem Buch befasst und fühlte mich den Personen, allen voran den vier Damen so vertraut und nahe.

Für meinen Geschmack gestaltete sich die Sprache als recht einfach und daher gut lesbar. Anhand der Spannung, aber auch des Bayerischen Dialekts bekommt die Sprache einen besonderen Charme und wird einzigartig. Beides taucht in einem angenehmen Maß auf und trägt viel dazu bei, dass die Personen, aber auch Handlungen sehr realistisch und glaubwürdig erscheinen.

 

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich meist die Zeit nach den 1950er Jahren nicht so spannend finde, obwohl da ja auch allerhand Spannendes und Bedeutendes in der Welt geschehen ist. Und daher meide ich oft Romane, die nach dem Zweiten Weltkrieg spielen meist. Und dann kamen die Wunderfrauen in mein Leben und ich muss meine Meinung ändern. Stephanie Schuster schafft es, mir diese Zeit schmackhaft zu machen und mich dafür zu begeistern, mir den Zeitgeist zu vermitteln und mich auch ein wenig wünschen zu lassen, einige Tage in diesen Jahren, hier speziell in den 1960ern verleben zu lassen.

Insgesamt gelingt es der Autorin richtig gut, die erzählte Zeit für den Leser lebendig werden zu lassen und ihm verschiedene Lebensweisen zu zeigen. Man bekommt ein unglaubliches Gespür, wie die Stimmung in den Handlungsjahren war, wie sich das familiäre Leben gestaltete und welche Mode gerade begehrt war, aber auch, wie die Wohnungen und Gebäude ausgestattet waren. All dies konnte ich mir problemlos und sehr bildreich vorstellen, wodurch die Einblicke in die Handlungszeit sehr spannend und informativ, aber auch lebendig waren!

Sehr wohldosiert werden auch einige, wenige historische Fakten in den Roman eingebunden. Diese beschäftigen sich mit ausgewählten Themen und sind nie zu üppig, sie wurden sehr gut in die Geschichte verarbeitet und geben noch ein paar Einblicke, was die Welt zu der Handlungszeit beschäftigt hat. Das empfand ich als sehr angenehm und es zeigte sich an zahlreichen Stellen, was für eine tiefe und genaue Recherchearbeit hinter dem Buch steckt!

 

Auch diesmal stehen wieder die vier Damen im Mittelpunkt und aus ihren Sichtweisen werden die Kapitel erzählt. Dabei kommt jede ausreichend Platz, um ihre Pläne und Ziele, aber auch ihre Lebenssituation vorzustellen und man hat ausreichend Raum, um sich mit ihnen vertraut zu machen.

Es entstehen also vier Erzählperspektiven, die sich immer mal wieder Überschneiden und anhand derer man äußerst lebendige Einblicke in die Handlungszeit, aber auch das alltägliche Leben von realistischen Personen bekommt. Man kann genaustens schauen, welche Probleme die Figuren plagen, wie sie sich entfalten und was es für gesellschaftliche Normen gibt, kann verfolgen, wie sich die Gesellschaft entwickelt und wie auch die Damen nach und nach mehr Rechte zugestanden bekommen.

Zudem ist es aufgrund der vielfältigen Erzählweise möglich, die vier Damen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und sich ein umfassendes Bild ihrer Personen zu machen. Sie werden dabei genaustens beschrieben, man kann Entwicklungen sehen und die Situationen besser einschätzen. Auf diese Weise entsteht eine abwechslungsreiche Handlung, Längen können erst gar nicht entstehen und mir war es möglich, eine noch bessere Bindung zu den Protagonisten aufzubauen.

 

Ich finde, dass zahlreiche Stimmungen im Buch vorzufinden sind, die sich auch teils auf den Leser übertragen. Nicht nur Emotional ist bei den vier Damen allerhand los und an vielen Stellen habe ich gemerkt, wie ich stark mit den Personen mitleide und mitfiebere, weshalb eine besondere und sehr angenehme Bindung zu ihnen entstanden ist.

Aber auch die allgemeine Stimmung der Zeit, mit den positiven, aber auch negativen Ereignissen war authentisch dargestellt und man merkt immer noch eine Aufbruchsstimmung. An vielen Textstellen wird deutlich, dass sich die Welt, allen voran wird im Buch natürlich Deutschland behandelt, in ständiger Bewegung befindet und immer wieder neue Gesetze kommen, die Gesellschaft ändert sich und die Menschen durchleben verschiedene Phasen. All das macht den unverwechselbaren Charakter des Buches aus und trägt dazu bei, dass man sich in der Geschichte einfach wohlfühlen muss. Man hat allerhand davon erfahren, was die Figuren beschäftigt und das trägt viel zum stimmungsvollen Erzählen bei.

 

Es wurde ein Hauptsetting gewählt, der Starnberger See und sein Umland und dort spielen alle Szenen. Und allein die Beschreibungen der Landschaft sind unglaublich traumhaft und laden zum Träumen ein. Ich konnte mir diese richtig gut vorstellen und hatte unglaublich lebendige Bilder vor Augen, vor allem, wenn sich die Personen im Freien aufhalten. Dann war auch die Stimmung so fein, ich hatte das Gefühl, mit durch die Gegend zu laufen und die Sonne zu spüren. Traumhaft!

Aber auch die einzelnen Gebäude, allen voran Luises Gemischtwarenladen, aber auch die Seeklinik oder der Bauernhof von Marie hatte eine tolle und umfangreiche Zeichnung erhalten, sodass diese Orte ebenfalls sehr einladend und ausgewählt erscheinen.

Lediglich Helgas Wohnung empfand ich etwas kalt und schwach. Hier hatte ich ein paar Probleme, mir diese vorzustellen, allerdings spielen dort nur wenige Szenen, meist von geringerer Bedeutung, weshalb ich mich daran nicht gestört habe.

 

Man konnte auch diesmal wieder deutlich merken, dass die vier Damen Annabel, Helga, Luise und Marie im Vordergrund stehen. Sie haben die aussagekräftigsten Charakterdarstellungen erhalten und aus ihrer Sicht erleben wir als Leser die Geschichte mit. Ich mochte es sehr, wie stark man von ihren Erlebnissen, Gefühlen und Gedanken erfährt, eine jede hat ihre kleinen Probleme, Ziele, aber auch Wünsche, die im Buch genannt werden und anhand derer ich mich mit den Damen sehr verbunden gefühlt habe. Eine jede hat einen perfekt auf sie zugeschnittenen Charakter erhalten, der individuell und sehr authentisch daherkommt. Ihre Gedanken sind gut nachvollziehbar, sie haben tiefgründige und komplexe Wesen erhalten und waren einfach besonders, in vielen Momenten hatte ich großen Respekt vor ihnen!

Im Vergleich zum ersten Band der Reihe war für mich deutlich eine Entwicklung der Personen zu sehen. Sie sind nicht nur älter geworden, sondern haben eine tolle Wandlung hingelegt und sind nachdenklicher, aber auch stärker und selbstbewusster geworden. Deshalb hatte ich diesmal auch keine Schwierigkeiten mit den Frauen, sie waren mir noch zu vertraut aus dem ersten Band und nach wenigen Seiten zeigte sich bereits wieder, weshalb ich sie so gerne mag!

Die anderen Protagonisten spielen eine etwas untergeordnetere Rolle, sie agieren nicht so stark im Vordergrund und von ihnen erhält man keine Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelten. Trotzdem haben auch sie Eigenheiten und besondere Charakterzüge erhalten, die sie einzigartig machen und auch bei ihnen war eine Entwicklung sichtbar. Sie nehmen den vier Wunderfrauen nicht den Fokus, treten aber auch stark und ansprechend auf, auch wenn ich nicht jede Person sympathisch empfand, waren sie doch angenehm und interessant.

 

Fazit

Ich habe, auch wenn ich das Buch nicht in der Hand gehalten habe, viel über die Geschichte nachgedacht und mich mehrere Stunden mit den behandelten Themen beschäftigt. Am Ende war ich so in der ganzen Materie drin, dass ich sogar von Luise Dahlmann und ihrem kleinen Laden geträumt habe, was sehr besonders war und mich den Ereignissen, aber auch den Personen noch näher gebracht hat. Das, aber auch die sehr stimmige und mitreißende Handlung, sowie die unglaublich gut Darstellung der vier Damen und die bildhafte und gut umschreibende Sprache hat dazu geführt, dass ich absolut begeistert von dem zweiten Band bin und ich die Reihe wirklich jedem ans Herz legen möchte. Dicke Empfehlung meinerseits!