Rezension

Mich hat es überzeugt

Die sechs Kraniche 1: Die sechs Kraniche
von Elizabeth Lim

Bewertet mit 5 Sternen

Die sechs Kraniche erinnert auf den ersten Blick an das Märchen von den sechs Schwänen. Gewisse Parallelen sind vorhanden, allerdings nimmt die Geschichte einen komplett anderen Verlauf, als man vielleicht am Anfang denken würde.

 

Prinzessin Shiori ist eine muntere, lebensfrohe junge Frau, allerdings typisch adelig auch ein wenig egoistisch und störrisch. Ich mochte sie dennoch auf Anhieb und habe die Geschichte mit Freude mit ihr zusammen durchlebt. Mich in sie hineinzuversetzen gelang hervorragend, allein schon deshalb, weil die Protagonistin aus ihrer Ich-Perspektive erzählt und man daher spielend leicht an all ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben kann. Die Entwicklung, die Shiori im Laufe des Geschehens durchmacht, ist beeindruckend und wirklich wunderbar mit anzusehen.

 

Durch einen Fluch, der im Klappentext bereits erwähnt wird, ist Shiori gezwungen, in der Verbannung allein klarzukommen und das auch noch, ohne ein Wort sagen zu dürfen. Gerade in diesem Szenario war es hilfreich, ihre Gedanken nachvollziehen zu können, und ich habe oft kein bisschen das Gefühl gehabt, es sei gerade zu „still“ und langweilig. Dadurch, dass Dialoge nur schwer möglich sind, hatte ich nämlich zunächst die Befürchtung, es könnte zu schweigsam oder einseitig werden, wenn Shiori sich nicht richtig verständlich machen kann. Aber da wurde eine gute Lösung gefunden, denke ich.

 

Man muss sich begreiflich machen, dass es hier immer noch um ein Märchen geht, wenn man die Geschichte genießen will. Es passieren kuriose, zunächst unsinnig erscheinende Dinge, die man einfach als gegeben hinnehmen muss, das tun die Figuren in der Geschichte nämlich auch. Es wird angemerkt, dass etwas seltsam sei, aber dann wird es abgetan und es ist eben so. In einem „normalen“ Fantasy-Buch würde viel mehr Mühe darauf verschwendet, den Ursprung und die Gründe für diese Kuriositäten zu finden, nicht so jedoch hier. Wenn man damit klarkommt und sich den märchenhaften Aspekt immer wieder vor Augen führt, kann man mit diesem Buch ein paar sehr fesselnde Lesestunden verbringen.

 

Was ich sehr gelungen fand, war der Wechsel von ruhigen Phasen und temporeichen Szenen. Die Spannung ist allgegenwärtig, die ganze Zeit spürt man diesen Drang nach der Lösung des Problems, aber Shiori kommt auch mal zur Ruhe und kann sich neu sortieren, das gefiel mir sehr gut.

Am Ende kommt es dann noch mal ganz anders, als man im Vorfeld vermutet hätte. Das Blatt wendet sich, Vermutungen werden über den Haufen geworfen, man muss sich umorientieren. Ich finde die Auflösung nach ein wenig Bedenkzeit schlüssig und freue mich, dass die Dinge so gekommen sind, wie es jetzt der Fall ist. Ich hoffe nun sehr, dass wir in einer Fortsetzung noch mal auf die gleichen Figuren treffen, zumindest als Nebencharaktere, denn auch wenn das Buch ein vorerst zufriedenstellendes Finale gefunden hat, so sind doch ein paar Stränge nach wie vor offen.

 

Mein Fazit:

Ich hätte nicht gedacht, dass das Buch mich so sehr begeistern würde. Großartige Figurenentwicklung, ein fabelhaftes Setting, lebendiger Schreibstil, ich bin regelrecht gefangen gehalten worden zwischen den Seiten. Ein märchenhaftes Vergnügen, welches ich voll und ganz weiterempfehlen kann. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen!