Rezension

Metamorphose

Frau Merian und die Wunder der Welt -

Frau Merian und die Wunder der Welt
von Ruth Kornberger

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich stöbere total gern in den Postkartenständer der Museumsshops und kann mittlerweile eine beträchtliche Anzahl an Kunstpostkarten mein Eigen nennen. Eigentlich immer mit dem Vorhaben, sie zu beschreiben und Anlass gemäß zu versenden, aber das klappt nicht. Ich kann mich nicht trennen. Eine Favoritin in meiner Sammlung ist Maria Sibylla Merian. Ihre Zeichnungen und Druckgrafiken haben einen ganz eigenen Zauber. Neben exotischen Blumen und Pflanzen krabbelt und summt es auf ihren Bildern in prächtigen Formen und Farben. Über die Künstlerin selbst habe ich bisher allerdings wenig Wissen angesammelt. Das hat nun Ruth Kornberger für mich getan und gerade einen biografischen Roman über Maria Sibylla Merian veröffentlicht. Gleich einem Fingerschnipsen tauche ich ein in den tropischen Regenwald Surinams, lerne die Religionsgemeinschaft der Labadisten kennen und durchstreife in Amsterdam Künstlerviertel und Kuriositätenkabinette der reichen Kaufleute. Wie nebenbei erzählt mir Maria ihren Werdegang. Die gebürtige Frankfurterin stammt aus einer Künstlerfamilie, zeichnen und Kupfer stechen ist ihr quasi in die Wiege gelegt worden. In der Ehe mit einem Künstler fand sie allerdings wenig eigene künstlerische Entfaltung und entschloss sich ihren eigenen Weg zu gehen. Mit ihren beiden Töchtern fand sie bei den niederländischen Labadisten Unterschlupf und konnte sich für einige Jahre in Frieden ihren Naturforschungen widmen. Doch auch dieses Leben wurde ihr bald zu eng und so setzt der Roman ein, als Maria mit ihren beiden Töchtern in Amsterdam einen Neuanfang wagt – mit dem Ziel Sponsoren zu finden für eine Forschungsreise in exotische Gefilde.
Ruth Kornbergers Fokus auf einige wichtige Jahre im Leben der Künstlerin ist erzählerisch ein kluger Schachzug. Durch die enge Perspektive des Erzählers an seiner Hauptfigur sind Rückblenden spielend leicht eingebaut, ohne den Erzählfluss zu stören. Allgemeines Geschehen und die innere Gefühlswelt werden in einem ausgewogenen Wechsel dargestellt. Man erhält einen ganz guten Eindruck von der Persönlichkeit Marias und ihrer Besessenheit für alles was kriecht und fleucht und sich verpuppen kann. Aber auch das ausgehende 17. Jahrhundert mit seiner Künstler- und Handelsmetropole Amsterdam wird atmosphärisch dargestellt, ganz zu schweigen von der absurden, hässlichen Kolonialwirklichkeit auf Surinam, die in einem starken Kontrast zur überwältigenden Natur der Insel steht.
Vielleicht um die Atmosphäre zu unterstützen oder einen höheren Spannungsverlauf zu erzielen, baut Kornberger eine männliche Figur in die Handlung ein, die es historisch wohl nicht im Leben von Maria gegeben hat. Die mysteriöse Figur des Jan de Jong bekommt einen recht großen Raum in der Gefühls- und Gedankenwelt der Künstlerin eingeräumt, was mich als Leserin doch mitunter irritiert hat. Ich kann aus dramaturgischer und erzählerischer Sicht sein Erscheinen zum Teil nachvollziehen, es befremdet mich aber doch, dass er eine rein fiktive Person ist ohne eine verbriefte Verbindung zur historischen Maria.
Kornbergers Roman habe ich mit großer Freude gelesen. Er ist so bunt und dicht gepackt, dass ich nicht nur über Maria Merian viel gelernt habe, sondern auch über ihre Zeit und Orte dieser Welt, über die ich noch nie nachgedacht habe. Maroon war für mich bisher immer nur der Teil einer Band, über den historischen Hintergrund dieses Begriffes, der so eng mit der Kolonialzeit verbunden ist, hatte ich keine Ahnung. Besonders spannend aus persönlichem Interesse fand ich auch die unterhaltsamen Exkurse in Sachen Kupferstecherei und Drucktechnik. Zum Beispiel dass Merian wohl als eine der ersten das Umdruckverfahren anwandte, um die Linien des Kupferstichs nochmals zu verfeinern. Meine Kunstpostkarten von Maria Sibylla Merian betrachte ich nach diesem Roman mit ganz neuen Augen.