Rezension

Mehr Social Media Aufklärung als psychologische Raffinesse

Die Kinder sind Könige -

Die Kinder sind Könige
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 3 Sternen

Für mich hätte es weniger Aufklärung über Influencer sein können und dafür mehr psychologische Raffinesse.

Die sechsjährige Influencerin Kimmy Diore verschwindet eines Nachmittags plötzlich. Ihre Mutter Mélanie, die sonst fast pausenlos das Leben ihrer Kinder Kimmy und Sammy filmt, hat sie für einen Augenblick beim Spielen aus den Augen gelassen. Wir begleiten sowohl Mélanie als auch Ermittlerin Clara in den Stunden und Tagen nach Kimmys Verschwinden und erfahren auch einiges aus deren Vergangenheiten und Werdegängen. Delphine de Vigan wirft in ihrem neusten Roman einen Blick hinter die Kulissen der Branche der Kinder-Influencer.

Delphine zählt zu meinen Lieblingsautorinnen und gerade ihr Roman „Loyalitäten“, indem sie ebenfalls über einen psychisch in Schieflage geratenen Jungen schrieb, hat mich sehr begeistert. Deswegen war ich tatsächlich ein wenig ernüchtert, dass es vor allem um die Gefühle und Innensichten von Kimmys Mutter und Ermittlerin Clara geht und nur indirekt um Kimmys und Sammys Stellung zu ihrem aufgezwungenen Star-Dasein. Für mich war es leider psychologisch und emotional nicht so intensiv, wie ich es von Delphine aus den Büchern kenne, die ich von ihr am liebsten gelesen habe.

Auch die Aufbereitung des Themas hat sich für mich nicht so gelesen, als würde ich zur Zielgruppe des Romans gehören. Die sozialen Medien und ihre Nutzung bzw. Monetarisierung werden in den Ermittlungen immer wieder erklärt und immer wieder finden Clara und ihre KollegInnen es unvorstellbar, wie viel Geld mit Videomaterial verdient werden kann. Das verlangsamte für mich das Tempo des Romans enorm und war teilweise sogar etwas langweilig. Vieles, was im Buch in Claras Augen ein „Durchbruch“ oder „Eye-Opener“ war, war für mich nicht neu und hat die Polizeiarbeit in ein sehr unprofessionelles Bild gerückt. Ich habe mich so gefühlt, als würde mir als Leserin nicht genügend Medienkompetenz zugetraut.

Trotzdem ist der Schreibstil auch in „Die Kinder sind Könige“ sehr präzise, wenig ausschweifend und exakt pointiert. Die Kombination aus Kriminalfall und Charakterstudie der beiden erwachsenen Frauen hat mich trotz meiner anders gelagerten Erwartungen unterhalten und es war aufgrund des Stils auch sehr angenehm und spannend, das Buch zu lesen. Ein solider Roman, der mich aber leider nicht komplett überzeugen konnte. Für mich hätte es weniger Aufklärung über Influencer und Social Media sein können und dafür mehr psychologische Raffinesse und intensivere Emotionen. Eben wieder mehr Delphine de Vigan.