Rezension

"Let's talk about sex" mit Hannah und Sam

Sannah & Ham - Lucy Ivison, Tom Ellen

Sannah & Ham
von Lucy Ivison Tom Ellen

*Worum geht's?*
Hannah und Sam haben einige Gemeinsamkeiten: Sie sind beide 18 Jahre alt, haben eben erst ihre letzten Schulprüfungen hinter sich gebracht und hoffen inständig, dass die Noten für ihre Wunsch-Colleges reichen werden. Vor allem sind die beiden aber (noch immer) eins: Jungfrauen – und dieser Umstand muss vor dem neuen großen Lebensabschnitt, der sie erwarten wird, dringend noch geändert werden! Durch einen Zufall lernen sich Hannah und Sam, das Ribena-Mädchen und der Klo-Boy, auf einer Party kennen, nur um sich kurz darauf wieder aus den Augen zu verlieren. Dabei sind sich beide vom ersten Moment an sicher, dass sie zusammengehören. Das Schicksal führt Hannah und Sam immer wieder zueinander, doch die Zufälle sind verstrickt und kompliziert – und für Hannah und Sam läuft nichts so, wie es sollte.

*Meine Meinung:*
Mit „Sannah & Ham“ hat sich das befreundete Autorenduo Lucy Ivison und Tom Ellen gemeinsam an ihr Debüt gewagt. Schon ein erster Blick in das Buch genügt, um zu erkennen, dass es sich definitiv von der Masse abhebt. Erzählt wird die Geschichte nämlich aus zwei Perspektiven – denen der beiden Protagonisten Hannah und Sam – und dieser Aspekt wurde auch in der Formatierung des Buches umgesetzt. Der Text fließt nicht wie gewöhnlich über die ganze Seite, sondern wurde in einen schmaleren Block gesetzt, der je nach Perspektive links- (Hannah) oder rechtsbündig (Sam) platziert ist. Auf diese Weise erkennt man sofort, wer die Geschichte erzählt, aber die seltsame Formatierung ist doch recht gewöhnungsbedürftig.

Ebenfalls fernab von Mainstream, jedoch nicht weniger gewöhnungsbedürftig, ist die Geschichte als solche. Kaum hat man das erste Kapitel über Hannah und Sam gelesen, wird klar, worum es den Protagonisten geht, welche Sorgen sie plagen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. Das schlimmste Problem von allen: Sie sind noch Jungfrauen – und das mit 18 Jahren. Ein peinliches Problem, das schnellstmöglich aus der Welt geschafft werden muss, was auch immer es kosten mag. Hannah und Sam sind bereit, große Opfer zu bringen – von der schmerzhaften Enthaarung der Bikini-Zone, der Hannahs Intimbereich wie ein auftauendes Tiefkühlhähnchen aussehen lässt, oder die Rettung durch einen emotionslosen One-Night-Stand, obwohl Sam doch die ganze Zeit an ein bestimmtes Mädchen denken muss.

Ja, in „Sannah & Ham“ geht es (beinahe) ausschließlich um das Eine. Es wird über jede Facette gesprochen, die das Thema zu bieten hat, alle Vorkehrungen werden genau geplant und auf Partys, auf denen man sich den nötigen Mut antrinkt und die überflüssige Nervosität wegkifft, wird geflirtet und gekuppelt, was das Zeug hält. „Glücklicherweise“ haben Hannah und Sam die richtigen Freunde, die alles dafür tun würden, um die beiden Jungfrauen, die keine mehr sein wollen, zu unterstützen. Klingt explizit? Ist es auch, denn die Autoren nehmen kein Blatt vor den Mund und beschreiben haargenau, was in den hormongesteuerten Köpfen der jungen Erwachsenen vor sich geht. Ob mit der Hand, dem Mund oder mit vollem Körpereinsatz – im ganzen Jugendbuchbereich ist mir noch keine Geschichte untergekommen, die so offen und direkt über das Thema spricht.

Obwohl ich das grundsätzlich sehr gut finde, hat mich die Umsetzung der beiden Autoren leider nicht sehr überzeugen können. Das ganze Gehabe, die Theatralik und das Drama um die Jungfräulichkeit wirkten auf mich sehr überspitzt. Natürlich ist Sex ein großes und wichtiges Thema, aber das volljährige, wenn auch junge Erwachsene solch ein Drama mitspielen und tatsächlich ihr Leben nur darauf fixieren sollen, erschien mir doch sehr aufgesetzt und unglaubwürdig. (Vielleicht irre ich mich auch, da ich keine 18 Jahre alt mehr bin, und all das ist nicht übertrieben, sondern brutal ehrlich. Diese Vorstellung gefällt mir allerdings kaum besser…).

„Sannah und Ham“ dreht sich zwar vor allem um die Jungfräulichkeit der beiden Hauptcharaktere, erzählt aber noch viel mehr. Hannah und Sam setzen sich mit ihren Ängsten auseinander, was die Zukunft wohl für sie bringen wird, und müssen lernen, nicht nur volljährig, sondern auch erwachsen zu sein. Auch wenn ihnen das in vielerlei Hinsicht noch nicht recht gelingen mag, so bleibt ihnen meist gar keine andere Wahl. Dies bekommen Hannah und Sam vor allem durch ihre Freunde zu spüren: Nach all den Jahren, die man gemeinsam gemeistert hat, ist nicht jeder der, der er mal war - und nicht jede Freundschaft ist für die Ewigkeit bestimmt. Auch wenn Lucy Ivison und Tom Ellen selbst diese Themen mit unnötigen Teenie-Dramen ausgeschmückt haben, haben die Autoren die richtigen und entscheidenden Themen für einen Coming-of-Age-Roman angeschnitten.

Aber nicht alles in Hannahs und Sams Leben ist übertrieben. Es gibt durchaus einige witzige Stellen, die einen zum Schmunzeln bringen, und ein paar gefühlvolle Momente, die mit einer ungewöhnlichen Stille und Intimität überzeugen können. Leider unterbrechen Lucy Ivison und Tom Ellen diese immer genau dann, wenn man gerade dazu bereit ist, selbst ins Schwärmen zu geraten. Dadurch – und auch durch die Entwicklung der Geschichte im Allgemeinen – geraten die emotionalen Momente in „Sannah & Ham“ leider viel zu sehr in den Hintergrund.

*Fazit:*
„Sannah & Ham“ von Lucy Ivison und Tom Ellen hat mich mit äußerst durchwachsenen Gefühlen zurückgelassen. Die Geschichte von Hannah und Sam, die beide endlich ihre Jungfräulichkeit verlieren wollen, und dabei durch verstrickte Zufälle zueinander finden, dreht sich im Großen und Ganzen nur um Sex. Doch statt behutsam mit dem Thema umzugehen, liefern die beiden Autoren zwei sehr naive Charaktere als Protagonisten ab, die zwar volljährig sind, sich aber keinesfalls so verhalten. Emotionale Momente und witzige Szenen, von denen „Sannah & Ham“ durchaus einige zu bieten hat, gehen neben den übertriebenen Dramen leider häufig unter. Für einige schöne Kapitel mit Hannah und Sam, leider aber wesentlich mehr nervigen Momenten, vergebe ich an „Sannah & Ham“ schwache drei Toasts.