Rezension

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Leider mit einigen Schwachstellen, aber trotzdem mit Sogwirkung

Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann
von Kerstin Gier

Bewertet mit 3 Sternen

Kerstin Gier konnte mich wie viele andere auch mit der „Edelstein“-Trilogie sehr begeistern, doch meine hohen Erwartungen an die „Silber“-Reihe konnten damals nicht ganz erfüllt werden. Aus diesem Grund habe ich es vermieden, mir zu „Vergissmeinnicht“ andere Rezensionen oder gar den Klappentext durchzulesen, um bloß keine Erwartungen zu wecken und vollkommen überrascht zu werden von dem Buch. Und das hat sich absolut gelohnt!
Leider hatte ich jedoch auch meine persönlichen Probleme mit der Geschichte. Diese lassen sich in diesem Fall nur durch Spoiler erklären, weshalb ich in dieser Rezension leider dazu gezwungen bin, mich detailliert auf Handlungen zu beziehen. Die Spoiler habe ich ans Ende der Rezension gesetzt und sind im Text als solche gekennzeichnet.

Der Einstieg in die Geschichte gefiel mir sehr gut. Gleich zu Beginn werden Matilda und Quinn als Hauptcharaktere toll eingeführt und die Handlung beginnt sehr spannend und rasant. Auch wenn das anfängliche Tempo etwas abflaut, so wurden schon in den ersten Kapiteln so viele interessante Fragen aufgeworfen, dass ich immer weiter lesen musste. Kerstin Gier erzeugt mit ihren Geschichten immer eine solche Sogwirkung, dass ich einfach nicht aufhören konnte zu lesen und unvernünftiger Weise bis spät in die Nacht hinein am Buch festklebte. Früher wäre dies ein Buch gewesen, dass ich unerlaubter Weise mit der Taschenlampe heimlich unter der Bettdecke gelesen hätte, da ich vor Spannung nicht hätte einschlafen können. Dieses besondere Gefühl fehlt mir vor allem bei Jugendbüchern immer mehr und ich habe die Lesestunden unheimlich genossen.  

Ein kleines bisschen zu konstruiert wirkte die Handlung leider, vor allem zum Ende des Buches hin. Da war mir schon ab der Mitte des Buches klar, welches Mittel genutzt werden würde, um den Spannungsbogen zum Ende hin in die Höhe treiben zu können. 
Auch die Liebesgeschichte ging mir ein wenig zu schnell und einfach voran. Es ist zwar keine reine Form von Insta Love, aber doch schon sehr nahe dran. Mir hätte eine echte Freundschaft im ersten Band deutlich besser gefallen, die sich dann im Verlauf der nächsten zwei Bände zu einer Liebesgeschichte entwickelt.  

Kerstin Giers Schreibstil mag ich einfach gerne. Er passt toll zu den jungen Charakteren, ist schon arg umgangssprachlich und wird dem Genre gerecht. Leider habe ich immer mehr das Gefühl, dass Kerstin Gier ihren Fokus auf immer jüngere Leser legt. Die Edelstein-Reihe habe ich auch recht spät erst angefangen zu lesen, fand die Charaktere und Handlung aber auch als Erwachsene toll. Diese Leichtigkeit hat mir leider bei Vergissmeinnicht gefehlt, da das Buch spürbar für ein eher jugendliches Publikum geschrieben worden ist.  
Die Perspektivwechsel von Quinn und Matilda haben mir sehr gut gefallen. Ich finde es wirklich toll, dass sich Kerstin Gier dazu entschieden hat, beide Seiten ihrer Charaktere zu erzählen. Bei Gideon hätte es damals natürlich viel von der Spannung und vom Plot verraten und vorgegriffen, aber auf die Art und Weise wie bei diesem Buch konstruiert gefällt es mir richtig gut. 

Ich werde nun ein paar Dinge aufführen, die spoilern werden. Da ich es hier leider nicht richtig kennzeichnen kann, warne ich schon mal vor. Das Ende des Spoilers werde ich am Ende dieses Absatzes deswegen im Text hervorheben!
[SPOILER]
Was mir etwas sauer aufgestoßen ist, ist das gezeichnete Bild von Psychotherapie. Ich fand es ganz am Anfang toll, dass Quinn nach seinem Unfall Psychotherapie Sitzungen in Anspruch nimmt und war mit fortschreitender Handlung immer entsetzter über das gezeichnete Bild. Ich verstehe, wie und warum Kerstin Gier diese Stunden so herausstellte, da somit ein anderer Charakter deutlich angenehmer und wärmer dargestellt wurde, aber ich finde es um ehrlich zu sein etwas unmöglich, dass dann nicht weiter eingegriffen wurde, um das Bild von Psychotherapie wieder normalisiert darzustellen. Es hat überhaupt nichts mit Schwäche zu tun, zur Psychotherapie zu gehen. Ganz im Gegenteil! In meinen Augen wurde es so dargestellt, dass Psychotherapie etwas Furchtbares ist, das einem als Patient auch nicht nützt. Ich finde es absolut enttäuschend, dass die Autorin dies so dastehen lässt.
Quinn kann außerdem sein mobbendes Verhalten nicht reflektieren, findet die Erzählungen von Matilda sogar im Gespräch nur mit ihr unglaublich lustig und versteht viel zu spät erst, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war. Doch Konsequenzen ergeben sich aus dem Verhalten überhaupt nicht.
Matilda ist schon fast besessen von einem Jungen, der sie wiederholt gemobbt hat, konfrontiert ihn zwar mit vereinzelten Taten, entschuldigt jedoch auch viel zu schnell wieder alles damit, wie gut er doch aussieht. Puh, schwierig.
Auch den Umgang innerhalb der Familie von Matilda miteinander fand ich sehr befremdlich. Ich verstehe noch nicht ganz, warum diese Probleme innerhalb der Familie in einem solchen Ausmaß dargestellt wurden, aber hier kann es natürlich auch nur eine Vorbereitung für die Handlungen der nächsten beiden Bücher gewesen sein. Damit der Leser bereits auf Probleme mit der Familie eingestellt ist.
Eigentlich fehlt es überall und an jeder Ecke an vernünftiger Kommunikation. Bei Quinn und seinem besten Freund, Matildas gesamter Familie und natürlich bei Quinn und Matilda. 

[SPOILER ENDE]

Die Handlung war etwas zu konstruiert und bei den Charakteren gab es etliche Punkte, die mich schon fast sauer gemacht haben. 
Wären die im Spoiler angeführten Punkte nicht gewesen oder anders ausgearbeitet worden, hätte das Buch 4 - 4.5 Sterne bekommen, ich finde vor allem einen Punkt so gravierend, dass ich 3 Sterne vergebe.
Empfehlen kann ich das Buch trotzdem allen Kerstin Gier Fans und ich hoffe sehr, dass im zweiten Band ein paar Punkte aufgearbeitet werden, so dass ich meine Meinung über diesen ersten Band hoffentlich noch verändern kann.