Rezension

Kampf um Gleichberechtigung

Freiflug -

Freiflug
von Christine Drews

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte bildet u. a. die Stellung der Frau in den 70er Jahren in der Gesellschaft der BRD ab. Zwei junge Frauen stehen im Mittelpunkt des Romans „Freiflug“. Da ist zum einen Katharina Berner, Mitte Dreißig, studierte Juristin und zum anderen Rita Maiburg, die mit Anfang Zwanzig schon eine Pilotenlizenz besitzt und auch in dem Beruf arbeiten möchte. Während Katharina in einer wohlhabenden, standesbewussten Kölner Familie aufwächst und sie sich gegen die konservativen Werte und die alte, verkrustete Ordnung stellt, wird Rita von ihren Eltern rundum unterstützt. Trotzdem ist ihre Mühe vergeblich, bei der Lufthansa eine Anstellung zu bekommen. Die junge Frau wird mit der Begründung abgelehnt, dass das Flugunternehmen noch nie eine Pilotin eingestellt habe. Katharina nimmt die Klage Ritas gegen Lufthansa und BRD an...

Mich interessierte das Buch, weil ich mich persönlich angesprochen fühlte durch die reale, berufliche Geschichte Rita Maiburgs. Außerdem war sie (Jahrgang 1952) nur vier Monate älter als ich. Ich erfuhr meine Sozialisation in der DDR und entwickelte mich beruflich sehr erfolgreich in genau dieser Zeit, ohne Einschränkungen. Diese Basis ermöglicht es mir einen vergleichenden Einblick zu erhalten. Zu Beginn nahm ich an, dass die Geschichte richtig Biss entwickelt. Doch zunehmend war ich enttäuschter, weil das Geschehen sich weitgehend um die fiktive Katharina Berner und ihre rückwärtsgewandte Familie drehte. Die reale Figur der Rita Maiburg und deren Prozeß ging ein wenig unter, obwohl das Verfahren viel mediale Aufmerksamkeit erreichte. Ich vermißte eine lebendige Diskussion um die erstaunlich konservative, weltfremde Begründung des Gerichts. Die Argumentation für die Nichteinstellung Ritas war skandalös und frauenfeindlich. Da muss es doch damals auch andere Berichterstattungen als die der hier aufgeführten „Quick“ in den Medien gegeben haben!

Wortwechsel zwischen Rita und dem Reporter einer Klatschzeitung. S. 193/194: Er fand,dass Frauen generell nicht in der Lage sind, ein Flugzeug zu steuern.

"Frauen sind einmal im Monat für mehrere Tage hormonell im Ausnahmezustand",...."Wie soll eine Frau dann eine Maschine mit hundert Passagieren fliegen? Wer soll das verantworten?"...

Rita: "In welchem Jahrzehnt leben Sie eigentlich? Und ich dachte immer, Journalisten wären aufgeklärte und moderne Menschen. Aber das ist wohl ein Irrtum. Sie gehören ja offensichtlich zu den Ewiggestrigen."

Gut, dass sie doch noch bei einer kleineren Fluggesellschaft ihren Traum leben und die erste Linienflugkapitänin der Welt (siehe Wikipedia) werden konnte. Leider verstarb sie mit nur 25 Jahren an den Folgen eines Autounfalls.

Mich erstaunte, wie wenig die Frauen selbst gegen die Dominanz der Männer aufbegehrten. Katharinas Schwägerin duldete das Fremdgehen ihres Mannes und litt still, zog sich zurück. Ihre Schwester Eva gab sich auch mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter zufrieden, ebenso die Mutter Katharinas.

Das Gleichberechtigungsgesetz trat zwar in der BRD am 1. Juli 1958 in Kraft, aber Papier ist geduldig. Noch bis 1977 war es der Frau in Westdeutschland nur dann erlaubt, berufstätig zu sein, wenn es vereinbar war mit der Erledigung der Aufgaben im Haushalt und in der Kindererziehung. Sie hatte in erster Linie ihren Pflichten in Ehe und Familie nachzukommen.

Fazit:

„Freiflug“ habe ich gern gelesen. Ich war sehr gespannt auf den Prozeß und seinen Ausgang. Leider hat Christine Drews m. M. nach versucht zu viele Themen anzusprechen und ihnen Raum gegeben, so dass das Hauptanliegen zu kurz kam. Das finde ich schade.

Der Roman greift mit der Geschichte der Rita Maiburg das Thema der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen auf, das bis heute die Gemüter bewegt. Der Kampf um Gerechtigkeit geht weiter. Es gibt noch viel zu tun!