Rezension

Kaleidoskop der Sinneseindrücke statt spannender Kriminalgeschichte!

Träume und Kulissen -

Träume und Kulissen
von Alida Bremer

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Man sah Filme, die Träumen glichen. Man stritt darüber, ob Filme Träume oder doch die Traumdeutungen waren. Und ob Filme Poesie oder Prosa sein sollten." Wer auf der Suche nach wunderschönen Zitaten und eindrücklich beschriebenen Sinneseindrücken ist, wird die Lektüre des Romans als absolut bereichernd empfinden, denn der Text punktet im Wesentlichen auf sprachlich-stilistischer Ebene.

In „Träume und Kulissen“ von Alida Bremer wird hauptsächlich das maritim geprägte Split im Sommer 1936 beschrieben. Dabei mutiert die Stadt zur eigentlichen Protagonistin des Werkes. In ihr herrscht ein buntes Leben: Unter die Einwohner jugoslawischer und italienischer Herkunft mischen sich Touristen, Spione, deutsche Filmemacher, Flüchtlinge und viele weitere gesellschaftliche Gruppen mit unterschiedlichsten Wurzeln und Ansichten. Kein Wunder also, dass diese Melange kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs explosiv ist. Das anfangs noch als idyllisch beschriebene Treiben wird jäh unterbrochen, als eines Morgens eine Leiche am Strand gefunden wird. Der Kommissar Mario Bulat beginnt zu ermitteln und stößt schnell an Grenzen, da es mehr Vermutungen und scheinbare Motive als Beweise gibt. Bei seinen Nachforschungen taucht der Leser tief in das Spliter Stadtleben ein und besucht Strände, Cafés und Kneipen. Er sieht im Hafen Passagierdampfer und Militärschiffe neben Fischerbooten liegen und erfährt eine Menge über die damalige politische Lage in Europa sowie die regionale Küche und Stadtgeschichte. Der Kriminalfall wird lediglich nebenbei gelöst und zieht keine weiteren Konsequenzen nach sich.

Bereits durch die Inhaltsangabe wird deutlich, dass es sich bei diesem Text um ein Gemisch aus historisch geprägtem Gesellschaftsroman, Krimi und Loblied auf die Stadt Split und ihre Küche handelt. Die Sprache ist bildgewaltig und so gelingt es der Autorin, die Stimmung in der Stadt brillant einzufangen. Historisch interessant ist, dass Alida Bremer aufzeigt, dass die Menschen die Möglichkeit eines sich bereits abzeichnenden Krieges vehement verleugnet haben: „Niemand ist so verrückt, nach den Erfahrungen des Großen Krieges einen neuen Krieg zu wollen. Unvorstellbar!“.

Zudem sind die mannigfaltigen Beschreibungen der kulinarischen und olfaktorischen Genüsse so appetitanregend, dass man Lust bekommt, die angesprochenen Gerichte zu googeln. Sprachlich, geschichtlich und atmosphärisch hat der Roman also viel zu bieten: Er kreiert ein eindrückliches Gesellschaftsbild!

Allerdings wird ein ganzes Tableau von Personen in wechselnden Situationen angeführt und dadurch kommt der eigentliche Kriminalfall viel zu kurz. Durch diese Art des Romanaufbaus und die Gestaltung einer extrem distanzierten Erzählweise verliert die Geschichte leider gerade zu Beginn häufig ihren roten Faden und entbehrt jeglicher Spannung.  

In der Konsequenz bin ich – trotz der wunderschönen Formulierungen - nicht wirklich von dem Roman überzeugt. Er ist eher ein Mosaik aus gelungenen Einzelteilen, bei dem sich das große Ganze erst ganz am Ende erschließt. Daher benötigt der Leser viel Durchhaltevermögen.