Rezension

Jahreshighlight !

Gespenster -

Gespenster
von Dolly Alderton

Bewertet mit 5 Sternen

Die besten Bücher sind doch immer noch genau jene, die dich zum Einen überraschen, aus denen du dir zum Anderen aber ganz viel rausziehen kannst. Es sind diese Bücher, bei denen du immer wieder Dinge liest, die du zu 100% abnicken kannst und dir denkst: Verdammt ja, genau so ist es.

Und genau solch ein Buch ist GESPENSTER von Dolly Alderton. Ich habe es vor einee Weile beim Stöbern in den Neuerscheinungen entdeckt, aber hab ihm wenig Beachtung geschenkt. Vielleicht weil es doch recht unscheinbar wirkt. Dann kreuzte es in den Social Medias immer wieder meinen Weg, die Stimmen dazu waren begeistert und ich fing an, mich mit dem Inhalt zu befassen und war schnell an dem Punkt, dass ichs haben und lesen muss.

Dass ichs dann aber so lieben und abfeiern werde, habe ich nicht geahnt. Schon direkt auf den ersten Seiten habe ich mich in Dolly Aldertons fantastische Schreibe verschossen und in Nina George Dean. Erfolgreiche "Food Autorin", Anfang 30, auf der Suche nach...ja nach was eigentlich?

Zunächst wirkt es, als sei Nina einfach nur auf der Suche nach Liebe, nach einen Mann mit dem sie sich eine Familie und ein Nest bauen kann. Doch je mehr man in ihr Leben und in ihre Geschichte eintaucht, desto deutlicher wird, dass sie eigentlich auf der Suche nach sich selbst ist.

Während fast all ihre Freunde, männlich wie weiblich, mittlerweile geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt haben, ist Nina nach wie vor Single und merkt immer deutlicher, wie viele Welten sich zwischen ihrem und dem Leben ihrer Freunde aufgetan haben.

Eigentlich ist sie ganz zufrieden, mit dem was sie hat, aber das Erwachsenenleben ist auch ziemlich anstrengend, davon können wir wohl alle ein Lied singen. Man versucht sich immer irgendwo anzupassen oder Freundschaften zu erhalten, von denen man weiß, dass sie eigentlich längst Geschichte sind. Bei Nina kommt erschwerend hinzu, dass sie ihr Singledasein gerne ändern würde.

Also greift sie zum ersten Mal im Leben auf eine DatingApp zurück und wird direkt nach dem ersten Erfolg geghostet.

Dieser Roman zeigt, wie schwierig es heute scheinbar geworden ist, besonders als Frau, einen Partner zu finden, dem es nicht nur um schnellen Spaß oder das kurzzeitige Streicheln des eigenen Egos geht, sondern wirklich bereit ist, eine Familie zu gründen und sesshaft zu werden.

Er zeigt aber auch, an den Beispielen von Ninas Eltern und Freunden, wie schwer es ist, eine gute Beziehung zu führen, die im Lauf des Lebens zwangsläufig mit Problemen konfrontiert wird und wie jeder Mensch diese auf seine Art angehen muss. Erst kommt die Heirat, dann die Kinder, dazwischen vielleicht noch ein Haus, aus Leidenschaft wird Alltagstrott und während man in jungen Jahren vielleicht noch denkt, dass im Alter, wenn die Kinder erstmal erwachsen sind, wieder ein wenig Ruhe einkehrt, wird man plötzlich damit konfrontiert, dass man sich erneut umorganisier muss, dass man vielleicht plötzlich mit Krankheiten zu kämpfen hat oder zusehen muss, wie man seinen Partner langsam aber sicher verliert.

Dieses Buch war für mich ein Zeugnis des Lebens. Denn wir alle stehen immer wieder an den gleichen Punkten, wie Nina, fühlen uns hilflos, manchmal ungeliebt, und haben hin und wieder einfach keinen Bock mehr auf dieses ganze anstrengendd Erwachsenenleben.

Ich fand den Roman so authentisch, weil er einfach so wahr ist und vieles widerspiegelt, was uns als Mensch ansich, aber auch die Gesellschaft um uns herum umtreibt. Und er lehrt uns auch Einiges. Nämlich zum Beispiel, dass Liebe auf vielen Wegen in unser Leben kommt und das wir oft nach Dingen suchen, die vielleicht längst da sind. Wir müssen nur annehmen und manchmal genau hinsehen, um zu verstehen.

Man merkt, dass dieses Buch einiges mit mir gemacht hat. Tatsächlich kann ich sogar sagen, dass es mein allererstes wirkliches Highlight im Jahr 2021 war und deshalb kann ichs nur von Herzen an euch weiterempfehlen.