Rezension

Im eigenen Dunst

Die Glasglocke - Sylvia Plath

Die Glasglocke
von Sylvia Plath

Bewertet mit 3 Sternen

Für Esther Greenwood könnte es eigentlich nicht besser laufen. Sie hat ein Stipendium fürs College bekommen und zusätzlich einen Aufenthalt im mondänen New York inklusive begehrter Praktikantenstelle als Journalistin gewonnen. Esther träumt von einer Karriere als Dichterin oder Journalistin und vom ersten Sex. All das scheint in greifbarer Nähe aber immer mehr kommen ihr Zweifel ins Gehege. Will sie wirklich Dichterin werden? Oder lieber Sprachen lernen? Europa bereisen? Oder doch einen Mann und Kinder? – Was sie bisher immer kategorisch angelehnt hat. Jeder neue Traum scheint einen alten platzen zu lassen und plötzlich sieht Esther sich nicht mehr in der Lage so grundlegende Dinge zu tun, wie ihren Koffer zu packen, zu lesen oder zu duschen.

"Ich wußte, dass ich Mrs. Guinea dankbar sein mußte, und trotzdem empfand ich nichts. Hätte sie mir eine Fahrkarte nach Europa oder eine Kreuzfahrt rund um die Welt geschenkt, so hätte sich für mich nicht das geringste verändert, denn egal, wo ich saß – ob auf dem Deck eines Schiffes oder in einem Straßencafé in Paris oder Bangkok -, immer saß ich unter der gleichen Glasglocke in meinem eigenen sauren Dunst."
Seite 200

Silvia Plaths Roman wird im Laufe der Geschichte immer düsterer. Auch wenn es eher leicht und durchaus witzig begann ist davon bald nicht mehr viel übrig. Esther ist gefangen in ihrer Depression, kennt sich selbst nicht mehr und kreist gedanklich ständig um Selbstmord. Nach außen hin versucht sie die Fassade der selbstbewussten, engagierten Studentin aufrecht zu erhalten, was ihr immer weniger gelingt.

Im Bezug auf die Depression ist der Roman äußerst gelungen. Plath wusste nur zu gut, worüber sie schreibt. Abgesehen davon, war mir der Aufbau teilweise etwas zu wirr. Esther gerät in manch seltsame Situation, die dann meines Erachtens einfach nicht richtig aufgelöst wird. Mehr als einmal hing ich etwas in der Luft und habe mich gefragt was denn nun genau los war. Auch, dass mehrfach das N-Wort zusammen mit rassistischen Figurenzeichnungen fällt hat mir nicht gefallen. Gegen die Figurenzeichnung kann man nun nichts tun aber in der 2020er Auflage hätte man zumindest das N-Wort entschärfen können. Dafür haben mir die Gedanken über die Doppelmoral im Bezug auf Mann und Frau, über Ehe und Sex ziemlich gut gefallen. Esthers Verzweiflung angesichts diverser Ungerechtigkeiten konnte ich allzu gut verstehen.

"Und ich wußte, trotz aller Rosen und Küsse und Essen im Restaurant, mit denen der Mann die Frau überschüttete, bevor er sie heiratete, war er insgeheim darauf aus, daß sie sich nach der Hochzeit unter seinen Füßen flach machte wie Mrs. Willards Küchenmatte."
Seite 94

Insgesamt war die Glasglocke für mich ein Buch mit Höhen und Tiefen. Es war teils sehr düster, manchmal aber auch erstaunlich witzig. Die größten Probleme hatte ich mit dem Aufbau, dafür gab es viele interessante Gedanken und auch wenn ich Esther oft nicht verstanden habe, war sie eine lebendige Figur, der ich gerne gefolgt bin. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir aber mehr von diesem Roman versprochen.