Rezension

Hinterlässt Eindruck

Das Buch Ana - Sue Monk Kidd

Das Buch Ana
von Sue Monk Kidd

Bewertet mit 5 Sternen

Es mag mutig oder tollkühn von Sue Monk Kidd gewesen sein in ihrem Buch das Leben der Frau von Jesus Christus zu beschrieben, aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall.

Nach der 68er Bewegung und der MeToo-Debatte scheint nun auch endlich in der Literatur das Thema Emanzipation angekommen zu sein. Die Zahl an Bücher, die starke, mutige, selbstbewusste und revolutionierende Frauen darstellt, hat sich im letzten Jahr gefühlt verzehnfacht. Die Schreibenden entwickeln eigene Protagonistinnen, picken sich nicht selten aber auch historische Figuren aus der Geschichte heraus, beschreiben berühmte Frauen und solche deren Leben und Arbeit in Vergessenheit geraten sind. In diesem Strom an emanzipierten Frauengeschichten geht „Das Buch Ana“ nicht etwas unter, sondern sticht besonders heraus. Es mag mutig oder tollkühn von Sue Monk Kidd gewesen sein in ihrem Buch das Leben der Frau von Jesus Christus zu beschrieben, aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall.

Denn das was mir vor dem Lesen am meisten Sorgen gemacht hat, hat die Autorin klugerweise nicht zum Gegenstand ihrer Erzählung werden lassen: der christliche Glaube. Jesus tritt als Person auf, aber die Autorin legt keinen Fokus auf dessen Lehren oder Wirken. Vielmehr stellt sie ihn als barmherzigen Menschen dar. Im Kontrast zu den Taten, die im Buch im Namen des Glaubens geschehen, stellt er ein Gegengewicht da, das dem Leser eher zeigt, welche Werte und Ideen im neuen Testament vermittelt werden, als das sie den Glauben kritisieren. Aber um das Christentum geht es wie gesagt nicht wirklich.

Es geht um die Frauen, die für ihre Ziele, Träume, Bedürfnisse und Anerkennung gegen die gesellschaftlichen Normen und Regeln kämpfen müssen. Das wird schon ganz zu Beginn deutlich, als Ana erzählt, sie hätte ihre Fähigkeit zu Schreiben darauf verwendet, den Frauen eine Stimme zu geben, die von den Rabbis totgeschweigen wurden. Frauen eine Stimme geben – das ist der rote Faden, der sich durchs Buch zieht und auch Anas Leben bestimmt. Der Schluss des Buches zeigt, was aus dieser Bemühung geworden ist.

Doch egal, wie es für Ana zu Ende geht, dieses Buch und die anderen Bücher mit starken Frauen im Mittelpunkt, zeigen, dass Emanzipation kein modernes Thema ist, sondern schon immer eine Rolle gespielt hat. Auch schon vor zweitausend Jahren. Etwas das selbstverständlich erscheint, mir aber schwer fällt in seiner ganzen Bedeutung zu begreifen – Ana hilft mir dabei.

Genauso wie sie mir hilft, mich in ihrer Zeit zu Recht zu finden. Schon wenn ich Bücher lesen, die im Mittelalter spielen, kommen mir das Leben, die Gepflogenheiten und die Gesellschaft der Epoche fremd vor –  aber im Mittelalter handeln viele Bücher und ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. Aus dem ersten Jahrhundert habe ich jedoch noch nie eine Geschichte gelesen. Das Leben damals unterschied sich noch mehr von unserem heutigen als das im Mittelalter. Während manche Dinge sich nie ändern, erscheinen mir einige Sitten der damaligen Zeit befremdlich oder gar grausam. Was für Ana ganz normal ist, braucht in meinem Kopf einige Sekunden, um begriffen zu werden. Diesen Aspekt der Geschichte fand ich sehr spannend und ich habe viel hinterfragt und Neues gelernt.

Das ist neben dem tollen Schreibstil, dem mutigen Thema und der spannenden Protagonistin ein Grund warum ich das Buch – obwohl es doch nicht gerade dünn ist – in wenigen Tagen gelesen habe. Ich danke der Autorin nicht nur für ihre gelungene Erzählung und ihre Entscheidung das Wagnis dieser Geschichte einzugehen, sondern auch für die Gedanken, die sie damit in Gang gesetzt hat. Das Buch Ana ist auf jeden Fall ein Buch, das einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.