Rezension

Hat mich ziemlich herausgefordert

Die letzte Tochter von Versailles -

Die letzte Tochter von Versailles
von Eva Stachniak

Bewertet mit 4.5 Sternen

Unglamourös, bedrückend, aber auch schonungslos echt. Kein Roman, wie ihn das Cover verspricht.

Véronique wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Eines Tages wird ein Edelmann auf ihre Schönheit aufmerksam und holt sie in seinen Dienst. Das junge Mädchen landet in Versailles und ist nun ganz allein auf sich gestellt. Hier erwarten Véronique viele Herausforderungen. Viel mehr, als eine unschuldige Seele verkraften kann.

Das Cover täuscht! Ein wunderschönes Cover, keine Frage, jedoch hätte ich im Zusammenhang mit dem Klappentext und der Leseprobe eine ganz andere Art von Erzählung erwartet.

Ich bin jedoch nicht enttäuscht. Eva Stachniak führte mich nämlich durch eine Welt voller Entbehrungen, Sehnsüchten und Hoffnungen, welche über Generationen hinweg schicksalshafte Auswirkungen hatte. Der von mir erwartete Prunk des französischen Hofes im 18. Jahrhundert war in diesem Roman lediglich Nebensache und wurde zudem vollständig entzaubert. Die Autorin folgte der unbarmherzigen Lebensgeschichte von Véronique und deren Tochter strikt, ohne jeglichen Glamour, und konnte damit das Dasein der Bevölkerung in den Händen der damaligen royalen Elite abbilden.

Es wurde nichts romantisiert. Ich war emotional gefesselt von der bedrückenden Atmosphäre, der Orientierungslosigkeit der hübschen Protagonistin, deren Einsamkeit in jeglicher Hinsicht und letztlich auch von deren Ohnmacht bezüglich ihres Lebensweges.

Die Ausarbeitung der Figuren fand ich sehr gelungen. Ich hatte den Eindruck mit jedem Charakter selbst eine Art Beziehung zu führen, wobei ich deutliche Grenzen zwischen Sympathie und Abneigung, bis hin zur Abscheu ziehen konnte. Sehr gut gefallen hat mir der in der Geschichte etwas zu wenig beachtete Sohn Marie-Louises, Jean-Louis, der sich ziemlich unscheinbar von seinen verpflichtenden Fesseln befreite und somit auch eine Weiche und endlich eine Wahl hinsichtlich der Zukunft für seine Mutter bereitstellte. Mir ist dieser Part leider etwas zu wenig behandelt worden, und grundsätzlich hat mich auch das letzte Viertel des Buches nicht mehr so sehr mitgerissen. Der deutliche Schwenk auf die politischen Hintergründe der Zeit, veranschaulicht über das fast wahnhafte Verhalten von Marie-Louises Ehemann, haben mein Leserherz emotional von dieser Familiengeschichte getrennt.

Leider klaffte in Véroniques Lebensweg eine große Lücke, was ich wirklich bedauerte. Ich finde, ihr trauriges Los wäre eine Weiterverfolgung wert gewesen. Ebenso wurde in meinen Augen die Freundschaft zwischen dem Dauphin und der jungen Marie-Louise zu abrupt gekappt. Dieser Faden wurde einfach fallengelassen, wo ich ehrlich gesagt irgendeine Art von Abschluss erwartet hätte.

Allgemein gesehen hat mich dieser Roman überrascht. Intensiv, atmosphärisch, maskenlos, aber auch als schwer, rau und bedrückend würde ich „Die letzte Tochter von Versailles“ beschreiben. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung. / 4,5 Sterne