Rezension

Hart und unfair - Die Rückkehr in ein fremdes Land

Landgericht - Ursula Krechel

Landgericht
von Ursula Krechel

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Roman zum Nachdenken!

Wir lernen die Hauptperson Richard Kornitzer im Jahre 1948 kennen während er gerade die schwierige Heimreise aus dem kubanischen Exil nach Deutschland antritt. Langsam erfahren wir von seiner Zeit am Mainzer Landgericht als aufstrebende Jurist, jüdischen Glaubens, dessen Karriere 1933 durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums rapide ausgebremst wird. Danach wird das Leben der Familie immer schwieriger vor allem da sich Kornitzers nicht-jüdische Frau Claire, allem Druck zum Trotz, nicht von ihm scheiden lässt. Das Ehepaar schafft es wie durch ein Wunder die beiden gemeinsamen Kinder, die durch die Nürnberger Rassengesetze ja auch gefärdet sind nach England zu schicken und im letzten Moment 1939 gelingt auch Kornitzer selber die Flucht. 

In Kuba baut er sich mittels seiner juristischen Kenntnisse ein relativ komfortables Exilantenleben auf aber es bleibt eine Sehnsucht nach der Heimat und nach der zurückgelassenen Familie. Schon auf der Überfahrt in die junge Bundesrepublik die ja offiziell noch keine ist beschleicht ihn ein mulmiges Gefühl - Was erwartet ihn in diesem Land? Die Antwort ist ernüchternd die Mär der Wiedergutmachung mündet in vielen leeren Versprechungen. Das er wieder in Deutschland ist hat er hauptsächlich Claire zu verdanken die nie aufgegeben hat beim Roten Kreuz für seine Rückkehr zu kämpfen. Das Mainz wie er es kannte ist ausgebombt und so ausgelaugt wie die Bewohner. Und während sich das Ehepaar Kornitzer langsam wieder an einander gewöhnen kämpft Richard darum wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Das fängt schon damit an das er ohne sein Wissen ausgebürgert wurde und die Behörden ihn deshalb nicht als deutschen Staatsbürger anerkennen. Sein alter Arbeitsplatz das Landgericht ist ein einziger brauner Sumpf, ganz nach dem Adenauer Credo vom dreckigen Wasser, und begegnet seinen Kapitalbestrebungen mit Ablehnung und Feindseligkeit. Darüber hinaus muss er sich auch von mehreren "Daheimgebliebenen" vorwerfen lassen das er durch seine Flucht bevor der Krieg richtig begann sein Land verraten hat und das er nicht nachvollziehen kann wie schwer die Kriegszeit war. Als wäre das alles nicht schon hart genug kommt noch die Entfremdung der Eltern zu ihren Kindern obendrauf. Nachdem sie es endlich geschafft haben die beiden ausfindig zu machen und nach Deutschland zu holen stellt sich schnell heraus das eine tiefe Kluft zwischen Ihnen entstanden ist. Der Sohn der mit seiner Schwester auf einem englischen Bauernhof bei einer liebevollen Familie aufgewachsen ist will nichts lieber als Landwirt zu werden was die beiden intellektuellen Eltern mehr als irritiert und die Tochter besteht darauf weiterhin Englisch zu sprechen.

Bei all dem Elend das Richard Kornitzer erlebt hat und was ihn in Deutschland erwartet beschreibt ihn die Autorin keinesfalls als ausnehmenden Sympathieträger er ist arrogant und reserviert selbst im Umgang mit seiner Familie und während Claire in Deutschalnd auf ihn wartet, hat er eine Lebensgefährtin in Kuba mit der er auch eine Tochter hat die er bei seiner Rückkehr nach Deutschland nun auch verlässt. Es geht Ursula Krechel aber auch gar nicht darum Kornitzer zu bedauern sondern viel mehr darum diese extreme Ungerechtigkeit aufzuzeigen die ein Opfer selbst nach Untergang des Nationalsozialismus in Deutschland erwartet hat die Hürden durch die perfide Bürokratie und die immer noch vorhandene Feindseligkeit in der Gesellschaft.  

Die Autorin hat, das spürt man bei jedem Satz, lange recherchiert und ihren Helden hat es so oder so ähnlich tatsächlich gegeben. Besonders beeindruckend ist der Schreibstil der genau so nüchtern wie eine Gerichtsakte ist und so auch das Gemüt des Juristen Kornitzer spiegelt. Trotzdem oder gerade deshalb ist das Buch so lesenswert. Absolut zu Recht hat Ursula Krechel hierfür den Deutschen Buchpreis bekommen.